Die Knopfmacherin
Immer wieder drängte der Zunftmeister sie auf den Tisch, während sie verzweifelt nach einem Ausweg suchte. Furcht und Ekel lähmten sie.
Als er ihr mit der Hand den Rock hochzog, kam das Mädchen wieder zu sich. Sie wandte den Kopf zur Seite und biss ihn mit aller Kraft in die Wange. Fassbender heulte auf. Nun gelang es Melisande, sich loszumachen und zur Treppe zu rennen.
»Verdammte Göre!« Fluchend setzte ihr der Zunftmeister nach.
Panisch suchte Melisande nach einem Ausweg. Sie fühlte sich wie eine Ratte in der Falle. Die Werkstatt!, schoss es ihr unvermittelt in den Sinn. An der Tür zur Werkstatt bog sie ab. Ihr Verfolger polterte hinter ihr her.
»Du entkommst mir nicht!«, drohte er.
Melisandes Herz flatterte. Mit einem ängstlichen Aufschluchzen blickte sie sich um. Da funkelte etwas in ihrem Augenwinkel, als das Sonnenlicht auf die Werkbank ihres Vaters fiel. Sie fackelte nicht lange.
Blitzschnell griff Melisande nach dem spitzen Dorn, mit dem sie die Knopflöcher stachen, und hielt ihn Fassbender entgegen. Der Zunftmeister erstarrte augenblicklich und blickte das Mädchen erschrocken an.
»Verlasst sofort mein Haus!«, fauchte Melisande. Die Berührung seiner Lippen brannte noch immer auf ihrer Haut, doch in diesem Augenblick war ihr Zorn größer als der Ekel.
Im nächsten verließ der Schreck Fassbender schon wieder. Er kniff die Augen zusammen und zischte: »Das wirst du bereuen, Mädchen! Ich werde dafür sorgen, dass du die Werkstatt niemals führen wirst!«
»Sei es drum, aber Ihr werdet mir nicht mehr nahekommen!«, entgegnete Melisande entschlossen. »Und nun geht!«
Der Zunftmeister musterte sie abschätzig, dann zog er sich zurück. An der Werkstatttür meinte Melisande ihn eine Verwünschung murmeln zu hören.
Nachdem er fort war, glitt ihr der Dorn aus der Hand und fiel zu Boden. Melisande sank neben der Werkbank in sich zusammen und brach in Tränen aus. Sie weinte aus Scham, aber auch wegen der Drohung Fassbenders, die er gewiss wahrmachen würde. Mochte seine Macht als Zunftmeister zwar nicht ausreichen, ihr das Haus zu nehmen, konnte er dennoch dafür sorgen, dass nie wieder ein Knopf ihre Werkstatt verließ. Ohne die Möglichkeit zu arbeiten würde sie früher oder später alles verlieren und keine andere Wahl haben, als das Haus zu verkaufen.
Schluchzend blieb sie hocken, ohne eine Idee, wie sie sich aus dieser Lage befreien konnte.
Erst als ihre Tränen versiegt waren, erhob sie sich wieder. Noch immer fühlte sie sich elend, aber immerhin zog sich die Scham über den Angriff des Zunftmeisters langsam zurück.
Melisande hob das Stecheisen wieder auf und legte es an seinen Platz. Ich muss mir eine Anstellung suchen, sagte sie sich. Etwas, womit ich Geld verdienen kann. Vielleicht sollte ich auch aus Udenheim fortgehen? In einer anderen Stadt kann ich mein Handwerk sicher ausüben. Von dort aus kann ich mich dann auch auf die Suche nach Alina machen.
7. Kapitel
Edelbert von Lohweihe lächelte grimmig vor sich hin, als er und seine Kameraden auf die Stadttore von Speyer zuhielten. Dass Joß Fritz ihnen erneut durch die Lappen gegangen war, würde Ludwig von Helmstatt gewiss nicht erfreuen, aber was hätten sie denn tun sollen? Der Anführer der Aufständischen war wie Rauch, der beim kleinsten Windhauch verschwand.
Dafür war er in anderer Hinsicht zufrieden. Im Haus des Knopfmeisters hatten sie zwar nichts Wertvolles gefunden, doch das Mädchen, das sie bei sich hatten, würde sie sicher dafür entschädigen.
Kurz nachdem sie Udenheim verlassen hatten, hatte sie erneut das Bewusstsein verloren. Wie die Gliedmaßen einer Flickenpuppe schlenkerten ihre Arme hin und her.
Unterwegs hatte ihm sein Kamerad Berburg immer wieder in den Ohren gelegen, dass es nicht schaden könnte, sich ein wenig mit der Kleinen zu vergnügen. Eigentlich hätte es das Balg nicht anders verdient, dachte er. Er war kein zimperlicher Mann und ließ seine Männer meist gewähren, wenn sie sich von Verbrechern nahmen, was sie wollten.
Aber bei diesem Mädchen hatte ihm eine leise Stimme eingeflüstert, dass es sich bezahlt machen würde, ihr die Jungfräulichkeit zu lassen.
Vor dem Stadttor, das gerade geöffnet wurde, hieß Lohweihe den Trupp anzuhalten.
»Gib mir das Mädchen!«, wies er seinen Untergebenen an. »Und dann reitet zurück ins Schloss.«
Obwohl die Männer ihre Gesichter hinter Tüchern verbargen, spürte er ihre Missbilligung. Wahrscheinlich mutmaßten sie, dass er sich mit
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