Die Knopfmacherin
war nicht wie ein Soldat gekleidet.«
Der Wirt presste die Lippen zusammen. Seine Augen blickten jetzt beinahe mitleidig. »Ich fürchte, für deine Schwester kannst du nichts mehr tun. Alle Mädchen, die diesen Strolchen in die Finger geraten, leben nicht besonders lange. Schon gar nicht solltest du dich mit diesen Männern anlegen.«
»Dann kennt Ihr sie also doch?« Die Bemerkung, dass Alina vielleicht tot sein könnte, überhörte Melisande einfach.
»Kennen ist zu viel gesagt, ich sehe sie durch die Straßen reiten und bin jedes Mal froh, wenn sie mich nicht behelligen. Und das soll auch so bleiben. Ich will nichts mit diesen Leuten zu tun haben. Man sagt sich, dass der Bischof Gefangene, die ihm in die Quere kommen, in geheimen Kerkern verschwinden lässt.«
»Und was ist mit meiner Schwester?« Nur schwerlich konnte Melisande die Tränen zurückhalten. Der Gedanke, dass Alina tot sein könnte, schnürte ihr die Kehle zu.
»Tut mir leid, mein Junge, aber da kann dir nur ein Wunder helfen. Vielleicht haben sie deine Schwester ja freigelassen, als sie mit ihr fertig waren. Vielleicht ist sie auch schon wieder zu Hause. Tu, was du willst. Aber ich rate dir, leg dich nicht mit ihnen an. Sonst verschwindest du auch noch in einem von diesen Kerkern.«
Ein Schauder überlief Melisande, als sie den Knopf wieder einsteckte. Waren die bischöflichen Truppen wirklich so schlimm? Oder wollte der Wirt nur, dass sie ihn nicht weiter behelligte?
Melisande musterte noch einmal den Mann, der nun wieder Bierhumpen füllte und so tat, als wäre sie gar nicht da. Dann wandte sie sich um. Die dicke Hure wandte sich noch einmal nach ihr um, aber als sie in Melisandes erschüttertes Gesicht blickte, ließ sie den vermeintlichen Jungen unbehelligt zum Ausgang gehen.
Dass der Spielmann ihr erneut einen feindseligen Blick zuwarf, ignorierte Melisande. In ihrem Kopf drehte sich alles, und sie kam sich vor, als hätte ihr jemand einen betäubenden Trank eingeflößt. Vor ihrem geistigen Auge erschienen die schrecklichsten Bilder, und sie war so gefangen davon, dass sie im Nachhinein nicht mehr wusste, wie sie zurück zur Knopfmacherwerkstatt gelangt war. Jedenfalls blickte sie irgendwann auf und sah vor sich das kleine Tor. Verwirrt und voller Angst um ihre Schwester schlüpfte sie hindurch und entledigte sich in der Küche der Kleider.
14. Kapitel
Vom rechten Glockenturm des Doms blickte Lux Rapp hinunter auf die Stadt und wünschte sich, eine der Krähen zu sein, die krächzend das Bauwerk umkreisten. Aus der Luft würde er Joß Fritz wesentlich leichter ausmachen können. Doch da Gott nicht gewollt hatte, dass er Flügel bekam, begnügte er sich damit, die morgendliche Stille der Stadt zu genießen. Stein um Stein kroch die Morgensonne an den Domtürmen hinauf, streifte die Dächer und schien ihm schließlich mitten ins Gesicht. Was für ein wunderbarer Morgen! Wie herrlich wäre es, ihn jetzt irgendwo anders genießen zu können!
Aber noch heute sollte er dem Gefangenentransport nach Bruchsal vorausreiten.
Es war ein Wunder, dass Maximilian Rächer ihn allein auf den Turm hatte gehen lassen. Die meiste Zeit hing er an ihm wie eine lästige Zecke und ließ ihn nicht aus den Augen. Vermutlich wollten sie ihn bei dem Gespräch nicht dabeihaben. Noch weit vor Sonnenaufgang war Graf von Lichtenfels aufgetaucht und hatte seinen Vertrauten zu einer Besprechung mitgenommen.
Rapp hätte versuchen können zu lauschen, doch das war ihm die Mühe nicht wert. Wahrscheinlich ging es wieder um die Aufständischen und wie sie Joß Fritz am ehesten erwischen konnten. Vielleicht debattierten sie auch darüber, ob sie ihn in Bruchsal tatsächlich von der Leine lassen sollten. Immerhin waren die Wälder groß und ihm vertraut.
Lux kümmerte das nicht. Er wollte nur den Anführer der Aufständischen fassen und sich dann aus dem Staub machen. Insgeheim bezweifelte er, dass Fritz bei der Hinrichtung seiner Mitstreiter einen Befreiungsversuch starten würde. Doch umsonst dort hinzureiten, war allemal besser, als hier in Speyer zu sein, wo man ihn wie ein seltenes Tier beäugte.
»Lukas Rapp!«
Als sich der Landsknecht umwandte, trat Maximilian Rächer aus dem Schatten. Wie es seine Art war, hatte er sich angeschlichen, ohne dass er ihn gehört hatte.
»Bist du bereit?«
Der Angesprochene nickte. »So bereit, wie Ihr es seid.«
»Dann komm, wir begeben uns zum Altpörtel.«
Als sich sein Begleiter umwandte, stellte sich Lux für einen
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