Die Knopfmacherin
der Meister, nachdem Melisande die Wellenlinie vollendet hatte. »Mach genau so weiter, in regelmäßigen Abständen und so lange, bis der gesamte Knopf bedeckt ist.«
Damit begab er sich zurück an seinen Platz. Melisande atmete tief durch und betrachtete die Wellenlinie. Das Gravieren war offenbar leichter, als sie dachte. Vater wäre stolz auf mich, ging es ihr durch den Sinn, doch sofort drängte sie den Gedanken wieder beiseite. Das Gravieren des Knopfes erforderte volle Konzentration, da durfte sie sich weder durch vorzeitige Freude noch durch Erinnerungen beeinflussen lassen. Erneut setzte sie die Nadel an, ihre Augen konzentrierten sich auf das Muster, das entstehen sollte, dann zog sie das Werkzeug über das weichere Metall. Der Schweiß lief ihr vor Anstrengung über den Rücken, aber das ignorierte sie ebenso wie die Geräusche, die von der Straße hereindrangen.
Als Melisande mit dem ersten Knopf fertig war, brachte sie ihn zu Ringhand. Da er selbst gerade an einem wertvollen Stück arbeitete, wartete sie geduldig, bis er fertig war. Auch ihr Vater hatte es nicht geschätzt, während der Arbeit gestört zu werden.
Als der Meister ihr die Knopfplatte schließlich zurückgab, biss sie sich auf die Lippe. Ihrer Meinung nach war der Knopf recht gelungen, aber er hatte gewiss ein anderes Auge dafür als sie.
Ringhand ließ sich Zeit, drehte die Platte von einer Seite zur anderen und betrachtete sie ausgiebig im Kerzenlicht, ehe er sich erhob und zum Fenster ging. Dort drehte er den Knopf noch einmal in den Händen. Anschließend kehrte er an seinen Tisch zurück, mit einer Miene, die nicht verriet, was er gerade dachte.
Ist das nun gut oder schlecht?, fragte sich Melisande bang.
»Du hast sehr geschickte Hände«, sagte er, als er ihr die Platte reichte. »Ich hatte bislang noch keinen Lehrling, der das Gravieren auf Anhieb so hinbekommen hätte.«
»Ich danke Euch, Meister.« Melisande senkte den Kopf.
»Du hast sicher in der Werkstatt deines Vaters geübt.«
»Ich hatte sehr viel Anschauung.«
»Anschauung?« Ringhand zog ungläubig die Augenbrauen hoch. »Entweder bist du sehr bescheiden oder sehr talentiert. Von reiner Anschauung kann diese Fingerfertigkeit nicht kommen.«
Worauf wollte der Mann hinaus? Melisande verbot sich, aufgeregt auf den Lippen herumzukauen.
»Ich habe mich bemüht, weil ich das Gold nicht verschwenden wollte. Immerhin ist es sehr wertvoll.«
»Und recht schnell wieder einzuschmelzen, wenn einem ein Fehler unterläuft.« Ringhand lachte auf, dann bedeutete er ihr, wieder an die Arbeit zu gehen. »Wenn du so weitermachst, wirst du eines Tages eine wohlhabende Frau sein. Sparsamkeit und Können sind die besten Eigenschaften, die eine Handwerkerin haben kann.«
War das ein Lob? Melisande errötete. Sie drehte die Knopfplatte zwischen den Fingern und fühlte sich, als hätte sie es unverdient erhalten.
»Und nun zurück an die Werkbank, sonst überlege ich es mir mit meinem Urteil noch.«
Das Mädchen gravierte den ganzen Vormittag Knopfplatten. Wenn der Meister von einem Muster genug hatte, zeigte er ihr ein neues. Melisande arbeitete so gewissenhaft wie nur möglich, und es kümmerte sie nicht, dass sie vor lauter Anstrengung mehr schwitzte als beim Wasserholen aus dem Brunnen.
Ein paar Stunden später kam Bernhard völlig aufgeregt von seinem Botengang zurück. »Die Aufständischen!«, rief er. »Die Männer des Bischofs bringen sie heute Nachmittag aus der Stadt! Sie sollen in Untergrombach hingerichtet werden!«
Alois Ringhand legte sein Werkzeug vorsichtshalber beiseite, ehe er den Knopf, an dem er gerade arbeitete, beschädigte. »Welche Aufständischen meinst du?«
»Na, diese Bauern, die vor Untergrombach gefangen worden sind. Zehn von ihnen sollen schon morgen gevierteilt werden. Und heute kann sich jeder ihren Abtransport ansehen. Jedenfalls hat es der Herold so verlesen.«
Melisande presste die Lippen zusammen. Ihr wurde auf einmal eiskalt, und dabei fiel die Sommersonne schon seit Stunden durch die Fenster. Obwohl sie mühsam versuchte, ihr Zittern zu verbergen, erschauderte sie schließlich so sehr, dass der Geselle es bemerkte.
»Was ist mit dir?«, fragte er besorgt und lenkte dadurch auch die Aufmerksamkeit des Meisters auf sie.
»Sie ist ja ganz blass!«, rief Meister Ringhand besorgt aus. »Du solltest wirklich besser aufpassen, mit welchen Geschichten du in die Werkstatt platzt, Bernhard!«
Der Gescholtene verzog das Gesicht. Und da hat der
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