Die Knopfmacherin
»Allzu viele Todesurteile wird das Gericht nicht verhängen können, wer sollte dann die Bauernstellen aufrecht halten? Doch es werden genug sein, um die Leute davon abzuhalten, sich erneut irgendwelchen Aufrührern anzuschließen.« Der Mann musterte ihn prüfend. »Habt Ihr eine Ahnung, wie Joß Fritz zu seinen Unterführern stand?«
Der Landsknecht schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn an jenem Abend zum ersten Mal getroffen. Ich habe nur mitbekommen, dass die Männer ihn verehrt haben. Und dass er unter ihnen einige Freunde hatte.«
»Wer waren diese Freunde?«
»Ich kannte nur den, der mich angeworben hatte. Sie nannten ihn den Schlossbäcker.«
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Fremden. »Nun denn, er gehört zu jenen, die ihren Kopf verlieren werden. Glaubt Ihr, Fritz wird versuchen, seinen Freunden zur Flucht zu verhelfen?«
»Das kann ich Euch nicht sagen, dazu kenne ich Fritz zu wenig.«
»Einen Versuch wäre es sicher wert«, meldete sich Rächer hinter ihm zu Wort. »Vielleicht ist dieser Fritz sogar so dumm, mit einigen Getreuen aufzutauchen. Was haltet Ihr davon, dass sich Lukas Rapp die Hinrichtung ansieht und wir uns im Hintergrund halten? Sobald der Anführer der Aufständischen auftaucht, gibt er uns Bescheid und wir ziehen die Schlinge um seinen Hals zu.«
Der Namenlose musterte den Landsknecht misstrauisch. »Das scheint mir ein guter Plan zu sein«, entgegnete er. »Allerdings müssen wir uns auf unseren Mann verlassen können.«
»Das könnt Ihr!«, entgegnete Rapp, während er den Weg zurückschaute, den sie gekommen waren. »Nur jemand, der den Verstand verloren hat, würde versuchen, Euch zu betrügen.«
Diese Antwort schien dem Namenlosen zu gefallen.
»Also gut, komm weiter. Und zu niemandem ein Wort über das, was du gleich siehst.«
Während sich Rapp noch fragte, was das sein würde, schritt der Unbekannte voran. Als er zu Rächer hinübersah, warf dieser ihm einen warnenden Blick zu.
»Ich hoffe für dich, dass du nicht die Angewohnheit hast, mit leeren Worten um dich zu werfen.«
»Ihr braucht Euch deswegen nicht den Kopf zu zerbrechen.« Rapp grinste schief. »Ich bin ein Landsknecht, ich diene dem Herrn, der mich bezahlt. Leben ist eine gute Währung, wie ich in den vergangenen Tagen festgestellt habe. Solange mein Herr nicht vorhat, mich um meinen Sold zu betrügen …«
Maximilian Rächer sah aus, als wollte er ihm augenblicklich an den Kragen gehen. »Was ist denn nun? Besprechen könnt ihr euch, wenn wir draußen sind!«
Der Namenlose hob ungeduldig die Laterne. Der Getreue des Grafen atmete tief durch, drehte Rapp an der Schulter herum und stieß ihn dann voran. »Ich werde dich genau im Auge behalten, mein Freund«, zischte er Rapp zu. »Nur eine Dummheit, und der Graf erfährt sofort davon.«
»Das hätte ich auch nicht anders erwartet.«
Rächer brummte etwas Unverständliches, zog sich dann aber zurück.
13. Kapitel
Trotz der Ankündigung, gleich richtige Knopfmacherarbeiten verrichten zu dürfen, bekam Melisande während der ersten Tage von Meister Ringhand nur einfache Aufgaben. Sie schnitt Rohlinge zu, sortierte Edelsteinsplitter und kleine Perlen, schärfte die Gravurwerkzeuge. Hin und wieder rief Ringhand sie an seine Werkbank, damit sie ihm zusah und dabei lernte.
Nach der Arbeit in der Werkstatt erwartete der Meister von seinem Gesellen und dem Lehrling, dass sie im Haus mithalfen. Bernhard war für den Stall zuständig, versah ihn mit neuem Stroh und kümmerte sich um die Kuh und die Hühner, Melisande half Grete in der Küche.
Mit ihrer freundlichen Art war Ringhands Haushälterin ihr von Anfang an sympathisch. Viel sprach sie bei der Arbeit nicht, doch das war Melisande ganz recht so, denn die Frau fragte sie auch nicht nach irgendwelchen Dingen aus. Zwei Wochen zogen so dahin, ohne dass das Mädchen Gelegenheit erhielt, einmal auszugehen. Am Abend war sie meist so müde, dass sie sich kaum wach halten konnte.
Zu Beginn der dritten Woche quälte Melisande der Gedanke an ihre Schwester dermaßen, dass sie beschloss, sich heimlich aus dem Haus zu schleichen. Wo sie mit ihrer Suche beginnen sollte und ob Alina wirklich hier war, wusste sie nicht. Aber sie brachte es auch nicht über sich, untätig herumzusitzen und ihr neues Leben zu genießen. Es ist ja bloß für den Übergang, bis Alina und ich nach Udenheim zurückkehren können, sagte sie sich immer wieder.
Als im Haus alles still wurde, erhob sie sich und trat ans Fenster. Der
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