Die Knopfmacherin
Moment vor, wie er ihm einen Dolch zwischen die Schulterblätter rammen würde. Da man ihm freilich keine Waffe gelassen hatte, blieb ihm aber nur, sich dem Schatten anzuschließen.
Während Melisande die morgendliche, mit etwas Honig gesüßte Milchgrütze in sich hineinschlang, fragte sie sich, ob sie in den Schenken am anderen Ende der Stadt mehr Glück haben würde. Die Worte des Wirts hatten sie die ganze Nacht über kein Auge zutun lassen. Ob er recht hatte? Hatten die Soldaten ihre Schwester zwar mit nach Speyer genommen, sie aber irgendwo im Wald liegen lassen? Irgendwer musste sie doch gesehen haben! Alina hatte sicher geschrien.
»Bist heute so schweigsam«, bemerkte Grete, als sie eine zweite Kelle Grütze in Melisandes Schüssel füllte.
Das Mädchen blickte verwundert auf. Bernhard grinste sie an.
»Ich habe nur nachgedacht«, antwortete sie dann und aß weiter. Eigentlich hatte sie keinen Hunger mehr, aber heute kam es ihr zupass, dass Grete meinte, sie müsste erst mal ordentlich was auf die Rippen bekommen. Aus diesem Grund gab die Haushälterin ihr immer eine zweite Portion, sobald ihr Teller leer war.
»Du denkst in letzter Zeit recht viel nach«, bemerkte Grete, als sie sich wieder setzte.
»Sie hat recht«, pflichtete Bernhard ihr bei. »Du grübelst in letzter Zeit recht viel.«
Dazu habe ich allen Grund, dachte Melisande, doch sie verkniff sich eine Antwort. »Deine Grütze ist wirklich hervorragend!«, sagte sie zu Grete, in der Hoffnung, damit von sich ablenken zu können.
»Danke, mein Kind, dennoch solltest du uns sagen, wenn dich etwas bedrückt. Drei Wochen bist du nun schon in diesem Haus, und ich weiß mittlerweile, wenn dich etwas bekümmert.«
Wusste sie das wirklich? Melisande bemühte sich, eine andere Miene aufzusetzen, aber es misslang ebenso wie der Versuch, ihre trüben Gedanken zu verscheuchen.
»Ich möchte nicht darüber sprechen«, sagte sie daher nur und schob die leere Schüssel von sich.
In der Werkstatt erwartete Alois Ringhand sie bereits und drückte Bernhard sogleich ein Päckchen in die Hand.
»Das sind die Knöpfe für Meister Wiebenbroichs Gemahlin. Heute soll die Anprobe ihres neuen Gewandes sein, da dürfen sie nicht fehlen.«
Melisande erinnerte sich an den Tag ihrer Ankunft. Damals hatte der Kaufmann beim Meister Knöpfe bestellt, die mit orientalischen Rubinen geschmückt sein sollten. Sie hatte die Anspannung Ringhands noch gut vor Augen, als der Lieferant auf sich warten ließ. Schließlich war er doch noch rechtzeitig erschienen und der Meister konnte sich an die Arbeit machen.
»Ich werde mich beeilen«, versprach Bernhard und stürmte aus der Werkstatt.
»Da Bernhard nicht zugegen ist, wirst du heute gravieren.« Ringhand wies Melisande den Platz des Gesellen zu und trat dann hinter sie.
Das Mädchen kam nicht mehr dazu, anzumerken, dass es noch nie einen Metallknopf graviert hatte. Ihrem Vater dabei zugesehen hatte sie viele Male, doch wenn sie es jetzt selbst tun sollte …
»Schau ganz genau hin«, sagte der Meister, nahm einen Knopfrohling und eine Gravurnadel und zog diese mit einer geübten Handbewegung über das Metall. Unter Melisandes staunenden Blicken erschien zwischen Mitte und Rand eine gleichmäßige Wellenlinie. Ringhand wiederholte die Gravur noch einmal, dann reichte er ihr Werkzeug und Knopf.
Melisande schlug das Herz bis zum Hals. Warum gibt der Meister mir solch eine schwere Arbeit?, fragte sie sich.
Aber sie wollte ihn auch nicht verärgern, indem sie sich weigerte. In den vergangenen Wochen hatte sie mitbekommen, dass Ringhand es nicht schätzte, wenn jemand meinte, er könne etwas nicht. Also hielt sie die Knopfplatte fest und griff nach dem Werkzeug.
»Mach es zunächst langsam. Ich kann mir nicht erlauben, Metall zu verschwenden, daher werde ich diese Knöpfe verkaufen. Zu welchem Preis hängt davon ab, wie gut deine Arbeit wird.«
Schweiß trat Melisande auf Stirn und Handflächen. Sie wollte sich die Schelte, die es setzen würde, wenn sie sich einen Fehler erlaubte, gar nicht vorstellen.
»Nun mach schon!«, forderte Ringhand sie auf und ging einen Schritt zurück. Sein Blick blieb dennoch auf Melisandes Hände gerichtet.
Sie presste die Lippen zusammen, beugte sich vornüber und versuchte, das Zittern ihrer Hände im Zaum zu halten, während sie die Nadel ansetzte. Das scharfe Werkzeug glitt sehr leicht über das Metall, ein Zittern würde sogleich ein Fehlmuster ergeben.
»Nicht übel«, kommentierte
Weitere Kostenlose Bücher