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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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furchtbar für den Meister. Er konnte kaum noch Knöpfe fertigen, denn er wachte stundenlang an ihrem Bett. Als sie starb, hatte er gerade die Schlafkammer verlassen, um etwas Wasser zu holen. Er machte sich heftige Vorwürfe, dass er sie in der Todesstunde verlassen hatte. Seither geht er immer dann, wenn ein Monat rum ist, zu ihrem Grab und bittet sie um Verzeihung.«
    Melisande musste an die Gräber ihrer Eltern denken. Sobald ich Alina gefunden habe, werde ich zurückkehren und ihnen Bescheid sagen, damit sie in Frieden ruhen können. »Wann hast du das herausgefunden?«, fragte sie weiter.
    »Zwei Monate, nachdem die Meisterin begraben worden ist. Ich bin nachts in die Küche gegangen, um mir etwas Wasser zu holen. Als der Meister hereinkam und mich entdeckte, erzählte er mir, wo er gerade gewesen war. Ich war damals wie gelähmt. Anschließend haben wir nie mehr darüber geredet.« Bernhard sah das Mädchen eindringlich an. »Sprich den Meister aber besser nicht darauf an. In letzter Zeit wirkt er etwas gefasster und ruhiger, das wollen wir uns nicht verderben, nicht wahr?«
    Melisande schüttelte den Kopf. Nein, verderben wollte sie nichts, denn die Arbeit in der Werkstatt gab ihr die nötige Sicherheit für ihre Suche. Außerdem ließ sie die Stunden bis zum Abend, wenn sie ihre Suche fortsetzen wollte, schneller vergehen. Und nicht zuletzt hatte sie ihrem Vater geschworen, seine Werkstatt weiterzuführen.
    Als Meister Ringhand nahte, begab sich Melisande unverzüglich auf ihren Platz. Auch Bernhard widmete sich wieder seiner Aufgabe. Eine ganze Weile arbeiteten sie schweigsam an ihren Knopfplatten, bis es auf einmal an der Gartenpforte läutete.
    »Melisande, sieh nach, wer zu uns will«, sagte der Meister irgendwann, ohne von der Werkbank aufzublicken.
    Das Mädchen legte den Bohrer beiseite, wischte sich die Späne von den Händen und eilte über den Hof. Als sie die Pforte aufzog, blickte sie in die Gesichter zweier Frauen. Die eine mochte im gleichen Alter sein wie ihre Mutter, denn auf ihrem roten Haar lag bereits ein leichter Silberschimmer. Das Mädchen an ihrer Seite, das wohl ihre Tochter war, wirkte etwas älter als Melisande, was aber auch an dem reich verzierten Samtkleid liegen konnte, das sie trug. Die Farbe ihres Haars war unter der Haube nicht zu erkennen.
    Melisande lächelte die beiden gewinnend an. »Guten Tag. Was kann ich für Euch tun?«
    Die ältere Frau erwiderte das Lächeln nicht, sondern betrachtete sie abschätzig. »Wer bist du denn?«
    »Melisande Bruckner«, antwortete die Gefragte. »Ich arbeite als Lehrling bei Meister Ringhand.«
    Der Mund der Frau klappte erstaunt auf.
    »Ein Mädchen als Lehrling?«, meldete sich die Tochter hochmütig zu Wort. »Du wärst eher als Dienstmagd geeignet.«
    »Marga!«
    Ohne dass Melisande es bemerkt hätte, war Meister Ringhand hinter ihr aufgetaucht. An seinem scharfen Tonfall bemerkte sie, dass er nicht gerade glücklich darüber war, die beiden zu sehen.
    »Was führt dich zu mir, Schwester?«
    Marga warf Melisande einen giftigen Blick zu. »Wie ich sehe, hast du dir einen neuen Lehrling genommen.«
    »Ja, das stimmt. Melisande Bruckner kommt aus Udenheim, und sie macht sich bereits sehr gut.« Er bedeutete dem Mädchen, dass es gehen konnte. »Aber deshalb bist du doch nicht hier, oder?«, setzte er hinzu, als die Besucherin sich umwandte.
    Da Melisande sich beeilte, in die Werkstatt zurückzukehren, bekam sie den wahren Grund von Margas Besuch nicht mit.
    Kaum trat sie wieder hinter die Werkbank, fragte Bernhard: »Wer ist denn gekommen? Der Meister ist wie von der Hummel gebissen aus der Werkstatt gelaufen.«
    »Er hat die Frau vor dem Tor Schwester genannt«, antwortete Melisande, worauf Bernhard erbleichte und sich auf seinen Schemel sinken ließ. »Was ist dir?«, fragte Melisande verwundert.
    »Hat sie etwa auch ihre Tochter dabei?«
    »Ja, ein Mädchen war bei ihr.«
    »Der Herr sei mir gnädig.«
    Melisande zog verwundert die Augenbrauen hoch. Ihr waren die beiden Frauen zwar nicht besonders freundlich erschienen, aber warum hatte Bernhard regelrecht Angst vor ihnen? Dergleichen hatte sie bei ihm noch nie erlebt!
    »Was ist denn an den beiden so schlimm?«
    Bernhard blickte zur Tür, als fürchte er, dass der Meister jeden Augenblick zurückkehren könnte. Dann antwortete er im Flüsterton: »Marga ist hochmütig und giftig wie eine Kreuzotter. Und ihre Tochter ist noch schlimmer. Sie trachtet danach, mich zu

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