Die Knopfmacherin
versuchten, die Menge mit Rufen aufzuheizen, und hier und da flogen schließlich ein paar Äpfel und Steine, aber der Großteil der Menge betete für die Verurteilten.
Das schien sogar dem Henker nicht ganz geheuer zu sein. Dessen Gesicht konnte Lux Rapp unter der ledernen Maske zwar nicht sehen, doch seine schnellen Atemzüge und der Schweiß, der sein Hemd tränkte, sprachen dafür, dass er sich vor der schweigenden Menge fürchtete.
Dem Richter, der nun noch einmal das Urteil verlas, schien es nicht so zu ergehen. Ruhig trat er vor das Blutgerüst, nannte die Namen jener, über die der Stab gebrochen worden war, und trat dann zurück.
Während der Henker sich ablenkte, indem er noch einmal sein Beil schärfte, wurde der erste Mann aus dem Karren geholt. Rapp hatte ihn im Lager gesehen, seinen Namen kannte er jedoch nicht. Man riss ihm das schmutzige Hemd von den Schultern und zwang ihn auf die Knie. Sein Recht, ein paar letzte Worte an die Menge zu richten, nahm der Verurteilte nicht wahr. Auch stieß er den Pastor beiseite, der ihm anbot, seine Sünden zu beichten. Indem er einen Fluch ausstieß, legte er den Kopf auf den Richtklotz.
Die Menge raunte auf, als das Beil auf seinen Nacken niederging. Einige Frauen pressten sich Tücher vors Gesicht, während das Blut spritzte und der Kopf über das hölzerne Podest rollte. Jene Schaulustigen, die vorn standen, sprangen erschrocken zurück. Sonstige Reaktionen blieben aus. Es gab keine Rufe, wie sie bei Hinrichtungen üblich waren, und kein Beglückwünschen des Henkers zu dem guten Schlag. Nur Stille, Krähenkrächzen und gemurmelte Gebete.
Lux Rapp ließ den Blick über die Gesichter der Leute in seiner Nähe schweifen. Beinahe überall entdeckte er Missbilligung und Mitleid. Einige Menschen pressten die Lippen zusammen, als müssten sie sich zwingen, keine Schmährufe auf den Bischof auszustoßen. Auf einmal wurde ihm klar, dass Ludwig von Helmstatt mit seiner Absicht, die Leute abzuschrecken, kläglich versagte. Hier standen keine Menschen, die sich davor fürchteten, sich erneut gegen den Adel und die Pfaffen zu erheben. Irgendwann würde ein anderer Mann kommen und sie anführen, dessen war sich Rapp gewiss. Und irgendwann würden Burgen und Klöster brennen.
Weitere Verurteilte folgten auf den ersten, und jedes Mal wiederholte sich die gleiche Szene: Die Bürger Bruchsals beobachteten den Tod der Männer schweigend. Die Männer des Bischofs hatten es inzwischen aufgegeben, Stimmung machen zu wollen. Vergeblich hielt der Landsknecht nach Joß Fritz Ausschau. Zwar gab es ein paar Männer, deren Gesichter er unter den Gugeln nicht erkennen konnte, doch jene hatten weder die Größe noch die Statur des Bauernführers.
Da erblickte Lux den Mann, der ihn angeworben hatte. Hans, der beinahe so etwas wie ein Freund für ihn gewesen war, hatten die Folterknechte übel zugesetzt. Unter den zahlreichen Schwellungen und Blutergüssen waren seine Gesichtszüge kaum mehr zu erkennen. Auf der Streckbank waren ihm wohl die Arme gebrochen worden, denn die Henkersknechte mussten ihn auf das Podest hieven.
Seine kraftvolle Stimme dagegen hatte er unter der Folter nicht verloren.
»Bürger von Bruchsal!«, rief er, bevor die Knechte ihn zum Richtblock schleifen konnten. »Seht, was euer oberster Hirte mit mir getan hat! Er, eingesetzt von Gott, um den Glauben zu beschützen, verstößt gegen das oberste der Gebote, indem er uns foltert und zu Tode bringen lässt. Aber ich sage euch, die Pforten der Hölle stehen für ihn offen!«
Weiter kam er nicht, denn die Henkersknechte pressten ihn nun brutal auf den Richtblock.
Rapp sah sich um. Spätestens jetzt hätte sich Fritz blicken lassen müssen, wenn er vorhatte, seinen Freund zu befreien. Als einige Unmutsrufe in der Menge laut wurden, glaubte der Landsknecht, dass es so weit sei. Doch die Männer, die nun die Stimme gegen den Bischof erhoben, hatte er auf der Versammlung nicht gesehen. Wie Bauern wirkten sie nicht, eher wie Freunde Hans’, Bürgersleute, die mit dem harten Leben auf dem Lande nichts zu schaffen hatten. Sie protestierten auch nicht gegen den Bischof, sondern gegen das harte Schicksal, das man dem Bäckermeister zugedacht hatte. Hans wandte nicht mal den Blick zu ihnen, sondern schien sich in sein Schicksal zu ergeben.
Wut stieg plötzlich in Lux Rapp auf. Was hätte ich getan, wenn einer meiner Freunde auf das Blutgerüst hätte steigen müssen?, fragte er sich. Ist Fritz etwa solch ein Feigling?
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