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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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Bedeuten ihm seine Leute so wenig? Wieder suchte er die Menge nach dem Gesicht des Bauernführers ab, aber er entdeckte es nirgends.
    Als das Beil niederging, schrien ein paar Frauen auf. Anstatt des fallenden Hauptes erblickte der Landsknecht einen sich krümmenden Mann, der aus Genick und Rücken stark blutete. Während einige von denen, die geschrien hatten, ohnmächtig wurden, schwollen die Unmutsrufe der anderen weiter an. Mit zitternden Händen nahm der Henker ein zweites Mal Maß. Wenn er auch diesmal nicht traf, würde ihn gewiss der Zorn der Menge überrollen.
    Während die Henkersknechte Hans mit aller Gewalt auf dem Richtblock festhielten, holte der Henker erneut aus. Diesmal traf das Beil. Blutspritzend rollte der Kopf über das Blutgerüst, dann schleppen die Knechte den Körper zu dem Karren hinüber, auf dem schon die anderen Leichname lagen. Beim Anblick der blutüberströmten Leiber drehte sich Lux Rapp der Magen um. Hans war ein freundlicher Mann gewesen, ein Mann mit einem vielleicht etwas zu weichem Herzen. Die Not der Bauern hatte ihn gedauert und die Völlerei der Geistlichen verärgert.
    Wer ist wohl der größere Feigling?, dachte Rapp, während er seinen Blick nun wieder über die Menge schweifen ließ. Jemand, der sich vor der Hinrichtung seiner Freunde drückt, oder jemand, der dabeisteht und nichts tut?
    Nach einer Weile sah er Maximilian Rächer zwischen den Leuten auftauchen. Erwartungsvoll spähte der Vertraute des Grafen zu ihm herüber, doch Lux konnte nur den Kopf schütteln. Nein, Fritz war nicht hier. Und gewiss würde auch sonst niemand die letzten armen Teufel retten, die der Henker nun zur Hölle schickte.
    Dennoch blickte er weiterhin nach vorn und hielt nach bekannten Gesichtern Ausschau, bis schließlich der Karren mit den Toten und der Korb mit den Köpfen aus der Stadt geschafft wurden.

16. Kapitel
    Am nächsten Tag schlich sich Melisande wieder gegen Mitternacht aus dem Haus. Diesmal begegnete sie dem Meister zum Glück nicht. Auch in den Straßen war nicht viel los, weder Betrunkene noch Hunde kreuzten ihren Weg. Die gesamte Stadt, so schien es, hatte sich vor der kalten Herbstluft verkrochen.
    Auf dem Weg zum Altpörtel ging Melisande noch einmal durch, was sie den Wachen sagen wollte. Natürlich durfte sie nicht zugeben, dass sie Alinas Schwester war, sonst landete sie am Ende selbst schneller hinter Gittern, als ihr lieb war. Aber wenn sie nach einer Freundin fragte oder wenn sie vorgab, Alinas Verlobter zu sein, würden die Männer ihr vielleicht Auskunft geben.
    Trutzig erhob sich das Stadttor schließlich vor ihr. In den Rundbogenfenstern des Türaufbaus glommen ein paar Lichter.
    Unmittelbar vor dem Tor legte Melisande den Kopf in den Nacken und blickte angestrengt nach oben. Der Umriss eines Mannes kroch träge an einem der Fenster vorbei. War das ebenfalls ein Wächter?, überlegte sie. Oder ein Henkersknecht?
    »Was suchst du hier, Bursche?«, schnarrte die Stimme eines Torwächters. Fest umklammerte er seine Hellebarde, bereit, jeden Moment die Waffe zu senken und zuzustechen.
    »Ich will in den Kerker«, platzte es aus Melisande heraus, worauf der Wächter auflachte.
    »Dann geh nur und stell etwas in der Stadt an, dann bist du schneller drin, als du dich umdrehen kannst!«
    »So meinte ich das nicht.« Melisande schoss das Blut ins Gesicht. Merkte der Mann, dass sie ein Mädchen war? So glasig, wie er dreinschaute, hatte er sich gewiss einige Becher sauren Weins genehmigt, der den Wachen für ihre Dienste zustand. »Ich suche jemanden und fürchte, dass er hier sein könnte.«
    Der Wächter musterte sie nun von Kopf bis Fuß. »Einer deiner Spießgesellen?«
    »Nein, ein Mädchen. Sie …« Beinahe wäre ihr herausgerutscht, dass Alina etwas mit den Aufständischen zu tun hatte.
    »Ein Mädchen, sagst du?« Der Wächter stützte sich auf seine Hellebarde. »Ich habe hier im Altpörtel schon lange kein Mädchen mehr gesehen. Wie sieht sie denn aus?«
    »Sie hat rotes Haar und ist noch recht jung.«
    »Eine kleine Hexe also!«
    Die Worte des Wächters trafen Melisande wie ein Peitschenhieb. »Nein, sie ist keine Hexe. Das Ganze war ein Missverständnis.«
    »Nun, darüber haben die Richter zu entscheiden, oder etwa nicht?«
    Melisandes Kehle schnürte sich zusammen. Daran, dass Alina wegen Hexerei angeklagt werden könnte, hatte sie noch gar nicht gedacht. »Das haben sie, dennoch habe ich ein Recht darauf, sie zu sehen.«
    Der Wächter schwieg eine Weile,

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