Die Knopfmacherin
Joß Fritz waren. Und wenn ja, wie viele Unschuldige sie wohl schon getötet hatten.
Die Hoffnung, durch die Reiter zu erfahren, wo ihre Schwester war, sank mit jedem Augenblick, den die Männer sich im Haus aufhielten. Die Kälte, die unter Melisandes Mantel kroch, ließ ihre Zähne klappern. Als sie schließlich am ganzen Leib zitterte, sah sie ein, dass es besser war, zur Werkstatt zurückzulaufen. Ein letztes Mal spähte sie zu den Wächtern hinüber, die seelenruhig an der Hauswand lehnten, dann wandte sie sich um und lief nach Hause.
Wieder folgten die Männer dem geheimen Gang, doch diesmal passierten sie die Kerker, ohne anzuhalten. Ohnehin gab es dort nichts mehr zu sehen. Die Zellen waren leer. Jene, die hier ihrem Tod hatten entgegensehen müssen, hatten nicht einmal ihre Geister zurückgelassen.
Lux Rapp unterdrückte ein Schaudern. Wie lange sollen wir Fritz denn noch nachjagen?, fragte er sich. Der Kerl ist längst über alle Berge. Es gibt keine weiteren Anzeichen von Aufständen.
»Ich werde allmählich unzufrieden«, sagte der Namenlose, während sein Blick über den Landsknecht und Maximilian Rächer schweifte. »Genau genommen wird es der Bischof auch sein. Ganz zu schweigen von Graf Lichtenfels.«
Lux Rapp spähte zu Rächer hinüber, dem die Worte des Namenlosen gleichgültig zu sein schienen.
»Joß Fritz war nicht bei der Hinrichtung«, erklärte Rächer beiläufig. »Es war närrisch, zu glauben, dass er sich dort zeigen würde. Das hätte ich an seiner Stelle auch nicht getan.«
»Ihr wollt doch nicht behaupten, dass Ihr genauso denkt wie dieser Aufständische?«
»Jeder würde so denken, der weiß, dass man ihm auf den Fersen ist. Wenn er denn kein Narr ist.«
Der Namenlose schnaufte. »Nun denn, vielleicht habt Ihr ihn nur nicht gesehen? Oder Euer Freund hier wollte ihn nicht sehen.«
»Das ist eine Lüge!«, ereiferte sich Rapp. »Ich habe dem Bischof mein Wort gegeben. Vielleicht solltet Ihr einen Magier suchen, der ihn herbeizaubert«, setzte er frustriert hinzu, worauf er sich einen scharfen Blick seines Aufpassers einfing.
»Euer Mann hat eine ziemlich scharfe Zunge«, bemerkte der Namenlose daraufhin. »Vielleicht solltet Ihr sie ihm herausschneiden, bevor er sich noch um Kopf und Kragen redet.«
Lux presste daraufhin zornig die Lippen zusammen und zwang sich zum Schweigen. Wenn wir uns an anderer Stelle wiedersehen, werden wir sehen, wer hier wem die Zunge rausschneidet, dachte er bei sich.
Im Dom wurden sie bereits erwartet. Der Graf von Lichtenfels war in einen pelzverbrämten Mantel gekleidet, der die Novemberkälte mit Sicherheit besser von ihm fernhielt als Rapps schäbiger Lodenmantel.
»Euer Gnaden!« Der Namenlose verbeugte sich. »Es ist mir eine Freude, Euch zu sehen.«
Der Graf überging die Schmeichelei. »Der Bischof weilt derzeit in Straßburg, also hat er mich hergeschickt. Wie geht es mit Euren Nachforschungen voran?«
Offenbar setzt ihm sein Herr ordentlich zu, ging es Lux durch den Kopf. Als der Blick des Grafen auf ihn fiel, schob er seine Gedanken jedoch sogleich beiseite.
»Nicht besonders gut, Herr«, antwortete Rächer. »Joß Fritz scheint vom Erdboden verschluckt worden zu sein. Nicht einmal die Hinrichtung seiner Freunde hat ihn aus seinem Versteck treiben können.«
Lichtenfels schnaufte. »Der Bischof wird in knapp einem Monat nach Speyer zurückkehren. Es wäre gewiss von Vorteil, wenn Ihr bis dahin einen Erfolg zu vermelden hättet.«
»Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht«, Rächer neigte untertänig den Kopf.
Lichtenfels zog nur die Augenbrauen hoch, dann wandte er sich an den Landsknecht. »Bist du sicher, Lukas Rapp, dass du ihn nicht gesehen hast?«
Lux entging nicht, dass der Namenlose ihn spöttisch angrinste. »Nein, Euer Gnaden, sonst hätte ich Euren Männern Bescheid gegeben.«
»Seid Ihr sicher?«
Vielleicht sollte ich dem Grafen irgendeinen Bauern liefern, damit er beruhigt ist?, schoss es ihm durch den Kopf. »Ich habe Euch mein Wort gegeben, Euer Gnaden, ebenso wie dem Bischof«, antwortete er dann.
Lichtenfels sah ihn an, als wollte er prüfen, wie viel dieses Wort wert war. »Nun denn, sucht weiter, aber lasst euch eines gesagt sein: Die Geduld Seiner Eminenz ist beinahe erschöpft. Es wäre von Vorteil, wenn ihr ihm Fritz vor die Füße werfen würdet, sobald er den Dom von Speyer betritt. Anderenfalls könnten gewisse Abmachungen in Vergessenheit geraten.«
Rapp wusste, dass diese Worte einzig und
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