Die Knopfmacherin
war das Grete?
»Was sagst du da?«
Da niemand erschien, antwortete sie: »Als ich gestern unterwegs war, habe ich ein paar Reiter beobachtet. Ich hätte schwören können, dass einige von ihnen zu denen gehören, die uns damals überfallen haben.«
»Und denen läufst du nach? Bist du denn verrückt geworden?«
»Ich habe drauf geachtet, dass sie mich nicht sehen. Ich habe gehofft, dass sie etwas über Alina verlauten lassen.«
»Sie werden ganz bestimmt nicht über ein entführtes Mädchen sprechen, schon gar nicht in der Öffentlichkeit.«
»Das haben sie auch nicht, dafür aber über etwas anderes.«
»Und was?«
»Offenbar sind sie noch immer auf der Suche nach Joß Fritz, dem Anführer der Rebellen.«
»Dann solltest du dich erst recht nicht in ihre Nähe wagen. Du hast selbst gesehen, wie sie die Gefangenen zugerichtet haben. In der Stadt erzählt man sich schreckliche Geschichten über ihre Hinrichtung.«
»Das habe ich auch nicht vor. Aber …« Sie griff in ihr Mieder und holte den Knopf hervor.
»Was ist das?«
»Diesen Knopf hat mein Vater seinem Mörder vom Wams gerissen. Wenn die Männer in der Stadt sind, besteht durchaus die Möglichkeit, dass der Verantwortliche einen neuen Knopf bei uns bestellt.«
Damit legte sie Bernhard den Knopf in die Handfläche.
»Was soll das bringen? Glaubst du wirklich, jemand geht gegen einen Mann vor, der im Namen des Bischofs getötet hat?« Nachdenklich drehte er den Knopf hin und her. »Außerdem ist es eher unwahrscheinlich, dass er zu uns kommt. Der Knopf ist nicht in unserer Werkstatt entstanden.«
»Das hat mir der Meister auch schon gesagt, aber wo im Umkreis von Speyer gibt es noch einen Goldknopfmacher?«
»Glaubst du nicht, dass der Kerl den Knopf längst ersetzt hat? Vielleicht hatte er zu Hause noch einen weiteren. Manche Leute kaufen mehr, als sie brauchen.«
Davon wollte Melisande nichts hören. Auf einmal war sie nicht mehr ärgerlich, dass sie sich nicht näher ans Haus gewagt hatte. Dass diese Männer wieder in Speyer waren, gab ihr Zuversicht. Der Bischof mochte den Mörder nicht strafen wollen, aber was war mit dem Kaiser? Er musste seine Untertanen doch vor Willkür schützen!
Wieder knarrte es im Gang. Diesmal war es tatsächlich Grete, die gerade dabei war, sich ihre Schürze umzubinden.
Melisande und Bernhard verstummten augenblicklich.
»Nanu, was sucht ihr denn schon hier?«, wunderte sich die Haushälterin. »Ihr seid doch sonst nicht so früh auf den Beinen.«
»Ich habe nicht mehr schlafen können und gleich mal Wasser geholt«, antwortete Melisande. »Dabei habe ich Bernhard wohl ebenfalls wach gemacht.«
»Du hättest ihr die schweren Eimer tragen sollen«, bemerkte Grete, nachdem sie den Jungen auf dem Weg zur Esse kurz gemustert hatte. »Ihr Rock ist nass, deine Beinkleider nicht.«
»Sie war schon zurück, als ich heruntergekommen bin. Sonst hätte ich ihr bestimmt geholfen.«
»Gut, wenn das so ist, hol mir ein wenig Holz von draußen. Wache Stunden soll man nicht verschwenden. Und du, Melisande, wirst mir beim Zubereiten der Grütze helfen.«
Die beiden sahen sich kurz an, dann griff der Bursche nach der Holzkiepe und verschwand.
An diesem Vormittag ließen sich Marga Ringhand und ihre Tochter wieder in der Werkstatt blicken. Der Meister, der offenbar bereits von dem Besuch wusste, quittierte ihn mit einem langgezogenen Seufzer. Bernhard fiel auf einmal ein, dass er im Stall etwas liegen gelassen hatte. Und Melisande beschloss, keinen Fuß vor die Werkstatt zu setzen, damit sie sich nicht wieder irgendwelche Beleidigungen an den Kopf werfen lassen musste.
Sie vertiefte sich voll und ganz in ihre Arbeit, damit sie nicht mit anhören musste, wie sich Ringhand und Marga wieder in die Wolle bekamen. Wie es ihr der Meister aufgetragen hatte, gravierte sie die Knopfplatten, die später zu Knöpfen zusammengefügt werden sollten.
Während sie die Nadel gewissenhaft über das Metall führte, dachte sie wieder an die Linien von Alinas Zügen. Zwischendurch war es ihr beinahe gelungen, sich das Gesicht ihrer Schwester vorzustellen, doch bevor sie das Bild greifen konnte, verblich es auch schon wieder.
»Du bist ja noch hier!«, schnarrte eine Stimme.
Melisande erschrak und glaubte zunächst, die Nadel verrissen zu haben, aber sie hatte sie instinktiv von dem Metall genommen. Bedächtig legte sie das Werkzeug zur Seite.
Katharina blickte sie ein wenig enttäuscht an. Nicht, weil sie Melisande hier sah, sondern weil
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