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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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allein auf ihn gemünzt waren, denn welche Abmachungen sollten die anderen Männer mit dem Bischof haben? Für ihn bedeutete ein Rückzug von der Abmachung, dass sein Kopf ebenfalls auf einen Pfahl vor der Stadt aufgespießt werden würde, wie es mit den armen Teufeln in Bruchsal geschehen war.
    »Seid versichert, sobald mir Fritz unter die Augen gerät, werde ich ihn anzeigen.« Während sich Lux tief verneigte, spürte er den Blick des Grafen stechend im Nacken.
    »Das hoffe ich für dich. Es wäre ein Jammer, einen Mann wie dich zu vergeuden.« Damit wandte sich der Graf um und verschwand in der Sakristei.
    Rapp blickte ihm nach. Die Kälte war bedeutungslos geworden, denn sein Innerstes fühlte sich an, als sei es ganz und gar aus Eis. Fieberhaft suchte sein Verstand nach einem Ausweg, doch es gab keinen. Weder Lichtenfels noch der Bischof war ein Narr. Wenn er ihnen irgendeinen Mann brachte, würden sie dessen Identität sicher überprüfen. Dazu brauchten sie nur die Bauern zu befragen, die vom Henkersbeil verschont geblieben waren.
    »Komm, du solltest dich eine Weile ausruhen.« Maximilian Rächers Hand legte sich schwer auf seine Schulter. »Morgen ist ein neuer Tag.«
    Als Melisande in die Werkstatt zurückkehrte, fühlte sie sich wie zerschlagen. Ihre Lungen schmerzen von dem ungewohnten Lauf noch immer, und Seitenstiche quälten sie. Noch schlimmer war jedoch der Zorn auf sich selbst. Sie hätte näher herangehen müssen! Sie hätte in Erfahrung bringen müssen, was die Männer gesprochen hatten! Warum war ihr nur das Herz in die Hose gerutscht?
    Wütend riss sie sich die Kleider vom Leib. Erst ein leises Reißen brachte sie wieder zur Vernunft. Die Kleider konnten nichts dafür, dass ihrem Vorhaben kein Erfolg beschieden war. Hastig verstaute sie die Sachen in dem Versteck, dann schlich sie, wobei sie sich zur Ruhe zwang, zur Stiege. Unter dem leisen Knarren der Stufen vernahm Melisande das Schnarchen des Meisters, was sie dazu brachte, erleichtert aufzuatmen.
    In ihrer Kammer war alles dunkel, und da sie sich bereits ohne Licht gut darin zurechtfand, verzichtete sie darauf, eine Kerze zu entzünden. Als sie unter die Bettdecke schlüpfen wollte, ertönte plötzlich ein Rascheln. Zunächst glaubte sie, dass es die Mäuse seien. Doch dann klang es, als würde etwas von ihrer Decke rutschen. Rasch langte sie mit der Hand in die Dunkelheit und spürte gerade noch einen trockenen Fetzen. Bevor sie ihn jedoch zu fassen bekam, entglitt er ihrer Hand und fiel mit einem kaum vernehmbaren Rascheln zu Boden.
    Was war das nur? Eigentlich hätte sie es ignorieren und bis zum Morgen warten können, doch ihre Neugierde war größer. Melisande erhob sich, tastete vorsichtig mit den Zehen über den Boden, damit sie nicht aus Versehen auf das Heruntergefallene trat. Als sie die Bodendielen unter ihren Zehen spürte, erhob sie sich und suchte nach den Feuersteinen, die Grete ihr am ersten Abend hier gegeben hatte.
    Während sich die Kerzenflamme knisternd am Docht emporschlängelte, erkannte sie zunächst noch nichts, doch als sie sich hinunterbeugte, fiel ihr Blick auf ein paar Blätter Pergament, in die ein Kohlestift eingewickelt war. Der Stift war aufgrund des Aufpralls auf dem Boden in zwei Teile gebrochen, konnte aber sicher noch verwendet werden.
    Melisande sank auf die Knie. Auf einmal wich der Ärger einem durchdringenden Gefühl der Wärme.
    Er war hier. Er hat mitbekommen, dass ich mich nach unten geschlichen habe, und hat mir das Pergament gebracht.
    Eigentlich hätte sie ein schlechtes Gewissen haben müssen, aber Bernhard wusste, dass sie nachts nach ihrer Schwester suchte. Und er hatte Wort gehalten.
    Melisande sprang auf und lief zur Tür. Sie musste ihm danken! Doch im letzten Moment hielt sie sich zurück. Was sollte der Junge denken, wenn sie sich mitten in der Nacht zu ihm schlich? Nein, ein anständiges Mädchen würde so etwas nicht tun.
    Mit pochendem Herzen kehrte sie zu dem Pergament zurück, hob es mitsamt den beiden Kohlestiften auf und legte es auf das Fensterbrett. Da sie viel zu aufgewühlt war, um mit dem Bildnis von Alina zu beginnen, legte sie sich wieder auf ihren Strohsack und zog die Decke bis zum Kinn hoch.
    Er hat daran gedacht. Sicher ist das ein gutes Zeichen, waren ihre letzten Gedanken, ehe sie einschlief.

17. Kapitel
    Obwohl sie in der Nacht kaum ein Auge zugetan hatte, erhob sich Melisande vor dem ersten Hahnenschrei. Draußen war noch alles dunkel, nur am Horizont, fern der

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