Die Köchin und der Kardinal
auf ihr Gefühl und ihre Fähigkeit zur Orientierung verlassen. Schließlich kam ihr alles bekannter vor, und sie fand den Eingang zu der Höhle. Als sie bei den Zelten ankam, stand Leander neben einem Feuer, das schon stark heruntergebrannt war.
»Du kommst spät«, sagte er. »Ich habe auf dich gewartet.«
»Ich musste zum Essen bleiben«, entgegnete Elisabeth. »Und dann habe ich mich auch noch ein wenig verlaufen.«
Er musterte sie fragend.
»Gute Nacht, Leander«, sagte sie.
»Gute Nacht, Elisabeth, und träum recht schön«, kam es von ihm mit einer Stimme, die Elisabeth unter die Haut ging. Die frischen Fische packte sie in einen Weidenkorb, den sie im Bach versenkte. Den Räucheraal, das Brot und die Gewürze nahm sie mit ins Zelt. Sie träumte tatsächlich in dieser Nacht. Wieder sah sie das Schiff vor sich, es kam den Rhein herabgefahren. Sie lief zum Ufer, um den Personen an Deck zuzuwinken. Da schoss ein Lichtblitz aus der Seite des Schiffes, ein ohrenbetäubender Knall folgte, und eine mächtige Kugel sauste knapp an ihrem Kopf vorbei. Sie warf sich zu Boden. Weitere Blitze, weiterer Donner, noch mehr Kugeln folgten. Gras und Dreck spritzten in ihrer Nähe auf. Elisabeth faltete die Hände und betete. Schweißgebadet erwachte sie am Morgen, eine Amsel flötete. Elisabeth schaute sich im Küchenzelt um. Viele neue Vorräte waren dort gelagert, in Öl eingelegtes Fleisch, Brot, kleine Rettiche, Zwiebeln, Knoblauch, Spinat, junge Möhren,Mangold und Zuckerschoten. Es gab Butter und Schmalz im Tontopf, eine Kiste mit Eiern, eine Kanne Sahne und etliche Flaschen Wein, dazu einen Sack Mehl. Jetzt waren sie für die nächste Zeit versorgt. Doch konnte Paul das alles von dem wenigen Geld gekauft haben? Elisabeth trat aus dem Zelt. Die Sonne war noch nicht aufgegangen. Tau glänzte im Gras des Talkessels, der Bach plätscherte munter vor sich hin. Daniel war dabei, das Feuer neu zu schüren.
»Guten Morgen, Daniel«, grüßte Elisabeth. »Hast du den Dorfbewohnern ihr Essen gebracht?«
»Ja«, sagte er. »Und sie waren wie immer sehr dankbar dafür! Haben mir auch einen Hinweis gegeben, wo wir in nächster Zeit fündig werden könnten.«
»Warum kümmern sie sich nicht selbst darum?«, fragte Elisabeth. »Dann müssten sie nicht auf unser Almosen warten.«
»Sie fühlen sich zu schwach und haben zu viel Angst vor der Obrigkeit« sagte Daniel.
Die vier anderen Männer traten aus den Zelten und gähnten herzhaft.
»Wie hast du denn den großen Einkauf zustande gebracht, Hans?«, fragte Elisabeth.
»Ach, derweil ich mit den Händlern feilschte, habe ich hier und da noch etwas mitgehen lassen«, meinte er und lachte.
»Ich habe noch zwei Waldhasen in einer Falle gefunden«, warf Leander ein.
»Also, dann können wir Brot und Räucheraal zum Frühstück essen«, stellte Elisabeth fest. »Alles andere werde ich so bearbeiten, dass es haltbar wird. Das bringt uns zwei Wochen über die Runden.«
So viel zum Essen, dachte sie, das kann doch nicht wahr sein.
»Wie hast du denn das alles transportiert?«, fragte sie Hans. Von weiter unten, wo eine Weide am Bach stand und ihre langen Zweige hineinhängen ließ, ertönte ein heiserer Laut.
»Ein Esel!«, entfuhr es Elisabeth. »Wo hast du denn den her?«
»Der stand am Wegesrand, der Bauer machte gerade ein Nickerchen …«
Mein Gott, dachte Elisabeth, wie lange wird das noch gut gehen?
»Die Hälfte der Sachen bringen wir den Armen«, beschied Leander. Elisabeth war es recht. Dann würden die Vorräte eben nur eine Woche reichen, und sie mussten bald wieder losziehen, um neue zu besorgen. Schon ein Grund, um in zwei Tagen die Gegend um Rotweil zu erforschen. Den Vormittag verbrachte sie damit, die Lebensmittel zu verarbeiten und haltbar zu machen. Zwiebeln und Knoblauch flocht sie zu Zöpfen und hängte sie mit Haken an die Decke des Zeltes. Zuckerschoten und Möhren gab es als Beilage zu den Wildschweinkoteletts.
Am nächsten Tag verkündete Elisabeth den anderen nach dem Mittagessen, dass sie Maipilze suchen wolle und am Abend zurück sei. Sie band sich den Rucksack auf den Rücken und nahm denselben Weg nach Rotweil, den sie neulich in der Nacht mit den anderen gegangen war. Die Weinreben hatten schon kleine Beeren angesetzt, überhaupt stand die Üppigkeit in scharfem Gegensatz zur Verlassenheit der Gegend. Oben auf dem Berg kam der Ort Rotweil in Sicht. Elisabeth hielt sich nicht auf dem Hauptweg, sondern folgte einem Pfad durch die Weinberge. Bei
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