Die Köchin und der Kardinal
hatten, schritt der Kardinal zum Pult und räusperte sich.
»Wir haben uns heute versammelt, nicht, um einer Predigt zu lauschen oder gemeinsam die Bibel zu lesen. Wir alle wissen, wie es um unsere Stadt steht. Die Lebensmittel werden immer knapper, die ersten Menschen sollen vor Hunger gestorben sein. Gemeinsam wollen wir beraten, was wir tun können, um die Lage für alle zu verbessern.«
»Bernhard von Sachsen-Weimar ist schuld«, sagte ein Mann, dessen Haut von der Sonne stark gebräunt war. »Er hat uns alles genommen, um es seinen Soldaten zu geben.«
»Und er nimmt es noch«, ergänzte der Kardinal.
»Die Reichen raffen alles an sich«, rief eine Frau. »Wenn sie es nicht freiwillig hergeben, müssen wir es uns holen!«
Andere stimmten lauthals zu: »Wir müssen es uns holen! Raubt sie aus, die fetten Fresser! Reißt ihnen ihre goldenen Ketten von den Hälsen!«
Der Kardinal hob die Hand. »Mit Gewalt kommen wir kein bisschen weiter, mäßigt euch, bitte. Das ist nicht gottgewollt.«
»Es ist aber auch nicht gottgewollt, dass wir hungern müssen!«, rief die Frau. »Ich weiß nicht mehr, wie ich meine Kinder durchbringen soll. Mein Mann ist unter den Belagerern von Breisach.«
»Ich denke, wir müssen zuerst an die Schwächsten denken«, schaltete sich Elisabeth ein. »Die Kinder, die Kranken und die Alten. Sie sollten täglich durch uns versorgt werden.«
»Aber womit?«, kam es aus der Mitte der Anwesenden.
»Wir könnten die Reichen um Spenden bitten«, meinte der Kardinal. »Die Bäcker könnten wir auffordern, Brot aus minderwertigem Korn zu backen und es frei abzugeben. Die Metzger sollen Schlachtabfälle liefern.«
»Wie sieht es denn mit dem Gemüse und dem Obst aus?«, wollte Elisabeth wissen.
»Es gibt noch alle Sorten von Beeren«, meinte eine Hausfrau. »Himbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren.«
»Im Wald gibt es Pilze«, fügte Elisabeth hinzu. »Außerdem kann man Fische in der Dreisam und in den Bächen des Schwarzwaldes fangen.«
»Die räuchern wir, dann sind sie länger haltbar«, meldete sich Melvine zu Wort, »und geben sie billig ab.«
»Das ist recht von Euch«, sagte der Kardinal. »Was können wir außerdem tun?«
»Jemand könnte zum Rhein fahren und dort fischen«, meinte ein Halbwüchsiger mit Zottellocken.
»Man kann auch aus den Gaben der Natur Nahrungsmittel herstellen«, sagte Elisabeth. »Zum Beispiel aus Brennnessel Spinat kochen, aus Löwenzahn Salat bereiten.«
»Waldvögel, Igel, Tauben, Wachteln fangen und rösten …«, kam es von dem Zottellockigen.
»Eidechsen, Ratten, Krebse.«
Der Kardinal hob abermals die Hand. »Da ist ja schon eine ganze Menge zusammengekommen, was wir tun können. Ich hoffe ja, dass es nicht mehr lange dauert und wir ohne das Geviech über die Runden kommen. Ich werde gleich morgen den Bürgermeister anweisen, die nötigen Schritte einzuleiten.«
»Und unser Gasthaus könnte als Anlaufstelle dienen«, sagte Paul. »Mit Vergnügen«, ergänzte Melvine.
Die Anwesenden klatschten Beifall, die Gesichter waren freudig gerötet. Zum Abschluss ließ der Kardinal noch Fladenbrote und Becher mit Wein verteilen. Fast beschwingt begleitete ihn Elisabeth nach Hause.
»Könnte ich nicht an den Rhein fahren und einen Karren voller Fische besorgen?«, fragte sie und hängte sich bei ihm unter.
»Das wäre gut, nur solltest du in Begleitung fahren.«
»Ich werde gleich morgen Mittag zu Melvine und Paul gehen und sie fragen.«
»Ja, tu das. Es gefällt mir, dass du dich so für andere einsetzt. Ich werde schon hinkommen mit dem Essen.«
»Ich habe vorgekocht«, erwiderte Elisabeth. »Du musst nur die Gemüsesuppe mit etwas Brot und Speck anreichern.«
Am nächsten Mittag lief Elisabeth als Erstes zum Marktplatz, um den beiden Wirtsleuten wenigstens etwas mitbringen zu können. Nur eine einzige Holzbude war auf dem großen Platz vor der Kirche zu sehen. Eine rotwangige Frau verkaufte angewelktes Gemüse und Schlachtabfälle wie Herz, Schweinefüße und Bauchlappen.
Elisabeth kaufte gelbe Rüben und Rote Bete. Als sie den Marktplatz überqueren wollte, blieb sie abrupt stehen. Fünf Männer kamen ihr entgegen, einer davon mit einem bandagierten Arm. Sie stellten sich auf den Platz, holten ihre Instrumente heraus und begannen zu spielen und zu singen. Ja, es waren Hans mit der Laute, Daniel mit der Sackpfeife, Martin und seine Trommel, Konstantin mit der Geige und Leander, der sie angrinste und zu singen begann:
»Ein Mädchen wollt
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