Die Köchin und der Kardinal
Schreck! Daran hatte sie vorher nicht gedacht.
»Ich trinke gern einen Becher Wein mit Euch«, meinte sie. »Aber gegessen habe ich schon. Derjenige, der am meisten Hunger hat, soll das elfte Stück bekommen.«
Sie setzte sich zu den Männern und ließ sich einen Becher Wein reichen. Aus der schwarzen Wolkenwand begann es leise zu grummeln. Die Söldner stürzten sich auf das Gebäck und hatten es im Nu vertilgt. Sie versuchten noch ein Gespräch anzufangenund näher zu Elisabeth hinzurücken, aber allmählich wurden ihre Bewegungen langsamer, die Augen fielen ihnen zu, und bald lagen sie auf dem Rücken und schnarchten. Elisabeth winkte Leander und Hans zu und stieg den Wildtierpfad hinab. Sie fand alles so vor, wie Jakob es ihr gesagt hatte. Am Ende des Grabens mit den Felswänden fand sie den Geheimgang, hinter Brombeerranken verborgen. Das Grummeln aus der Wolkenwand wurde lauter. Elisabeth stieg den kühlen, feuchten Gang hinauf, musste sich vorwärtstasten, da sie kein Licht besaß. Schließlich stieß sie gegen den Vorhang, der den Gang von einem Gemach trennte. Hier unten war niemand zu sehen. Es herrschte eine geradezu unheimliche Ruhe in der Burg, die jetzt von einem Donnerschlag erschüttert wurde. Elisabeth stieg eine steinerne Wendeltreppe hinauf. Von außen hatte sie gesehen, wo sich ungefähr die Räume der Offiziere befinden mussten. Sie huschte an der Burgküche vorbei, in der die Mägde mit dem Schrubben der Töpfe und Teller beschäftigt waren. Suchend schaute sie sich um. Mit einem Mal legte ihr jemand von hinten die Hand auf die Schulter. Sie zuckte zusammen.
»Komm schnell«, flüsterte ihr der Jemand ins Ohr. Es war Jakob! Er zog sie mit sich durch den Gang, öffnete eine Tür, schob sie hinein und schloss hinter sich zu. Freudig nahm er sie in die Arme und drückte sie an sich. Einen Kuss lang war sie selig, wieder bei ihm zu sein. Er hielt sie ein Stück von sich weg und fragte: »Wie bist du denn hier hereingekommen? Ich hatte dir doch geschrieben, dass es viel zu gefährlich ist!«
»Auf demselben Weg, den du mir beschrieben hast.«
»Aber der Belagerungsring ist doch dicht geschlossen!« Ein Blitz zuckte auf, gefolgt von weiteren Donnerschlägen.
»Ich habe ein paar Männer in den Schlaf gesungen«, erwiderte sie und lachte. Jakob lachte ebenfalls.
»Sicher hast du sie mit deiner Kochkunst betört«, meinte er. »Was willst du nun aber wirklich, außer mich zu sehen?«
»Ich will dich hier herausholen, dich und Agnes. Ich kann nicht mit ansehen, dass ihr vor die Hunde geht!«
Er nahm sie erneut in die Arme und küsste sie. Wenn es doch immer so bleiben würde!
»Agnes will schon raus, aber wahrscheinlich nicht zu dir und deinem Kardinal«, sagte Jakob, als sie sich voneinander gelöst hatten.
»Wie, mein Kardinal?«
»Na, das ist er doch, oder?« Jakob grinste.
»In gewissem Sinne schon.« Sie lachte ebenfalls. »Und du? Was willst du, Jakob?«
Sie sah, dass er mit sich rang. »Ich will diese Festung verteidigen helfen«, sagte er. Er holte tief Luft.
»Aber für wen willst du das tun? Für den Kaiser, für den Kommandanten?«
Jakob stieß die Luft wieder aus.
»Für mich selbst, für meinen Seelenfrieden«, sagte er. »Ich könnte es nicht ertragen, dass die Franzosen und die Schweden uns besiegen.«
Elisabeth erinnerte sich, dass er ihr einmal erzählt hatte, wie seine Familie zu Tode gekommen war.
»Das macht doch niemanden mehr lebendig, wenn du dich opferst«, rief sie.
Er schien zu zögern.
»Für dich würde ich es gerne tun, Elisabeth«, meinte er. »Wenn ich jedoch mein Heer verlasse, bin ich nicht nur feige, sondern nichts und niemand mehr.«
»Das macht doch nichts aus«, widersprach sie. »Du könntest zu Bernhard von Sachsen-Weimar überlaufen, der nimmt dich mit Kusshand!«
Einen Augenblick lang schien er zu wanken.
»Ich muss noch eine Schlacht schlagen, in ein paar Tagen«, sagte er. »Dann werde ich die Entscheidung treffen und bin dann in einigen Stunden in Freiburg.«
»Dann nimm wenigstens das, was ich dir mitgebracht habe. Unabhängig davon, wie lange du noch in der Festung bist.«
Sie reichte ihm den Leinenbeutel. Draußen klatschte der Regen gegen die Fenster.
»Was ist da drin?«, wollte er wissen.
»Samen von Rettich, Winterkohl, Bohnen und Fenchel«, sagte sie. »Damit hier auch im Herbst noch etwas gegen den Hunger wächst. Ich habe die Samen gestern einer Marktfrau abgekauft.«
Er trat wieder einen Schritt auf sie zu. In diesem
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