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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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hatte. »Wann kommst du endlich zur Besinnung?«
    Der Kommandant stieß ein Knurren aus. »Die Güter sind gerecht verteilt, wie oft soll ich das noch sagen? Wer kämpft, muss auch essen!«
    »Bald werden wir nichts mehr zum Essen haben, auch du nicht, Hans Heinrich!«
    »Was schert mich das, dann fresse ich halt meinen eigenen Sohn.«
    Am Tisch herrschte einige Augenblicke lang betroffenes Schweigen. Jakob hatte gewusst, dass Hans Heinrich von Reinach ein übler Geselle war, aber dass er zehnmal übler sein würde als Jan van Werth, dass er ein rohes Tier, ein Teufel in Menschengestalt war, hatte er sich in seinen schlimmsten Träumen nicht vorgestellt.

33.
    Der August war ein sehr heißer Monat, immer wieder gingen heftige Gewitter nieder. Aber noch konnten Zwiebeln, Salat, Spinat und vor allem Obst geerntet werden. Die ersten Zwetschgen, Äpfel und Birnen wurden reif. Das Getreide auf den Feldern war abgeerntet, die Weintrauben am Schlossberg wuchsen nur kümmerlich. Den Löwenanteil von allem sicherten sich Bernhards Männer. Anfang August marschierte ein kaiserliches Entsatzheer von Offenburg in Richtung Breisach. Bernhard zog dem Tross entgegen. Bei Wittenweier kam es zur Schlacht, die Kaiserlichen wurden vernichtend geschlagen. Bernhard erkrankte und ging nach Colmar, um sich auszukurieren. Trotz allem konnte Elisabeth ihre Tätigkeit als Köchin des Kardinals fortsetzen. Die Verteilung der gespendeten Lebensmittel hatten Melvine und Paul übernommen. Der Kardinal hielt weiterhin Gottesdienste und Versammlungen ab. Die beiden Mönche tauchten nicht mehr auf.
    An einem Nachmittag Ende August hielt sich Elisabeth im Wald auf, der hinter dem Burghaldenschloss auf dem Berg begann. Sie wollte Pilze und Preiselbeeren suchen. Elisabeth war nicht allein, auch die Spielleute waren mitgekommen, um nach ihren Fallen zu sehen. Vielleicht gelang es ihnen ja auch, das eine oder andere Wild zu schießen oder Forellen in den klaren, kalten Bächen zu fangen. Die Augustsonne schien schräg durch das Laubdach; es roch intensiv nach Moos und trockenen Blättern. Elisabeth ließ sich auf einem der rötlichen Steine nieder, der warm von der Sonne war. Leander und Konstantin kamen mit ein paar Hasen zurück, kurze Zeit später auch die übrigen, die Fische, Schnecken und Krebse gefangen, darüber hinauseinen Sack voll Eicheln und Bucheckern gesammelt hatten. Inzwischen wurde das Brot in der Stadt schon mit diesen Früchten des Waldes gestreckt. Die Sonne stand als glühender Ball über dem Kamm der Vogesen, als sie vom Schlossberg in die Stadt hinuntereilten. Das Bild, das sich ihnen bot, war wie immer: Die Reichen taten, als gäbe es keinen Krieg in der Welt, spazierten vor den Mauern der Stadt herum, bis das Tor geschlossen wurde, derweil die Armen einen grausamen Überlebenskampf kämpften. Elisabeth war schon länger aufgefallen, dass es kaum noch Vieh in der Stadt gab. Auch die Hunde und Katzen, selbst die Ratten schienen täglich an der Zahl abzunehmen. Auf dem Marktplatz trennte sich Elisabeth von ihren Gefährten und bog in die Gasse ein, die zum Johanniterhaus führte. Sie brachte Beeren, Pilze und einige Forellen in die Küche und klopfte beim Kardinal, bekam jedoch keine Antwort. Er sei noch einmal ins Münster gegangen, berichtete ein Diener. Elisabeth bereitete das Abendessen vor und verließ das Haus in Richtung Münster. Das hohe Schiff mit seinen Säulen und dem Kreuzgewölbe an der Decke wurde vom letzten Licht des Tages beleuchtet, das sich in den bunten Glasfenstern brach. Elisabeths Schritte hallten durch den Raum. Sie konnte den Kardinal nirgends entdecken. Normalerweise kniete er vor dem Altar. Elisabeth ging um den Altar herum, suchte in den Seitenkapellen, stieg sogar in die Krypta hinunter. Sie öffnete das schmiedeeiserne Gitter und betrat den unterirdischen Raum, der mit einem Tonnengewölbe überspannt war. Eine Kerze stand vor einem Kreuz, in ihrem flackernden Licht erkannte Elisabeth einige Steinsärge. Der Moder von Jahrhunderten kam ihr kühl entgegen. Sie merkte, dass sie fror. Elisabeth stieg die Stufen der Krypta wieder hinauf ins Schiff, das Gitter schloss sich quietschend hinter ihr. Etwas hatte sich in der kurzen Zeit verändert. Es war, als läge etwas in der Luft, etwas, das man riechen konnte. War es der Rest von Weihrauch, war es menschlicher Schweiß? Elisabeths Herz begann schneller zu klopfen,ihre Hände wurden feucht. Sie eilte die letzten Stufen hinauf und prallte zurück. Vor ihr

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