Die Köchin und der Kardinal
Rittersaal fand. Die Fackel war inzwischen erloschen.
»Was hast du mit den Gefangenen des französischen Heeres gemacht, Hans Heinrich?«, rief er.
»Wieso?«, erwiderte der Kommandant. »Was willst du denn mit denen? Was hattest du da unten zu suchen?«
»Ich wollte die Weinvorräte überprüfen«, erwiderte Jakob.
»Das ist nicht deine Aufgabe. Sollen wir, deiner Meinung nach, die Feinde auch noch mit Speck und Braten füttern für das, was sie uns angetan haben?«
»So behandelt man keine Gefangenen! Ich sagte dir schon, es wird ein schlechtes Licht auf dich werfen, wenn sie sterben.«
»Es wirft auch auf Bernhard ein schlechtes Licht, dass er Leute aufhängen lässt, die uns versorgen wollen.«
»Als Feldherr ist er dazu gezwungen, schließlich will er uns aushungern. Dir aber sind die Gefangenen schutzlos ausgeliefert!«
»Willst du die Feinde auch noch in Schutz nehmen?«
»Ich will Gerechtigkeit und eine angemessene Behandlung der Gefangenen!«
»Also, wenn du meinst, bekommen sie ein halbes Pfund Brot pro Tag. Oder besser noch, die Reste von unserer Tafel.«
Jakob war froh, dass er wenigstens etwas erreicht hatte. Auf dem Weg zu seinem Zimmer begegnete ihm Agnes. Sie schaute ihn mit einer Mischung aus Erschrecken und Staunen an.
»Jakob! Ich habe eine sehr wichtige Entdeckung gemacht.«
Nicht schon wieder! Wahrscheinlich endete das so, wie neulich schon einmal. Und er kam dann in Erklärungsnöte.
»Sag es mir hier«, forderte er sie auf.
Sie trat ganz nahe an ihn heran, so nahe, dass sie ihm ins Ohr flüstern konnte.
»Heute Morgen war ich unten in der Stadt«, raunte sie. »Und da habe ich drei Menschen gesehen, einen Mann, eine Frau und ein halbwüchsiges Kind. Sie sahen nicht gesund aus. Als ich näher an sie heranging, waren es …«
»Kanntest du sie?«, fragte Jakob.
»Es waren meine Eltern und mein Bruder«, stieß sie hervor.
Jakob fiel aus allen Wolken. Er erinnerte sich daran, dass Elisabeths und Agnes’ Eltern und ihr Bruder verschleppt worden waren. Konnte es sein, dass sie die ganze Zeit im kaiserlichen Tross mitgezogen und dann in Breisach gelandet waren?
»Hast du mit ihnen gesprochen?«, fragte er.
»Nein, und ich glaube, sie haben mich auch nicht erkannt. Aber ich habe mir gemerkt, wo sie ungefähr wohnen müssen.«
»Führe mich zu ihnen«, sagte Jakob bestimmt.
Als hätten sie sich abgesprochen, liefen sie in die Küche.
»Wir brauchen noch etwas zu essen, beim Frühstück hatten wir keinen Hunger«, sagte Agnes zu einem der Küchenmädchen. Das knickste, holte einen Korb und packte Wurst, Käse und Brot hinein, dazu stellte sie einen Krug mit Wein.
»Lasst es Euch schmecken«, sagte das Mädchen.
Jakob und Agnes eilten hinunter in die Stadt. Als sie am Friedhof vorbeikamen, sah Jakob viele frische Erdhügel. Die Menschen, denen sie begegneten, waren hohlwangig, dürr und bleich. Ihre Augen sahen wie erloschen aus. Agnes führte Jakob zu einer Kate, die von einem winzigen Garten umgeben war. Dort wuchsen ein paar spärliche Johannisbeersträucher, die längst abgeerntet waren. Agnes klopfte an die Tür. Eine Zeit lang rührte sich nichts. Dann waren schlurfende Schritte zu vernehmen. Die Tür wurde langsam geöffnet, ein Mann stand im Rahmen. Er sah so aus, wie Jakob sich einen Landpfarrer vorgestellt hätte, nur magerer und mit graueren Haaren. Er trug einen ebenfalls grauen Spitzbart, seine Kleidung musste einmal gut gewesen sein, jetzt hing sie in Lumpen an ihm herunter.
»Was ist Euer Begehr?«, fragte der Mann.
Eine ebenfalls magere Frau mit verhärmtem Gesicht und ein etwa dreizehnjähriger Junge tauchten hinter ihm auf. Die Frau trug die feinen Züge von Elisabeth, hatte auch ihre dunkelblonden Haare, nur waren sie bei ihrer Mutter mit vielen weißen Strähnen durchsetzt.
»Mutter, Vater, Lukas!«, rief Agnes aus.
Elisabeth kam langsam zu sich. Sie lag in völliger Dunkelheit auf einem Steinfußboden. Ihr Kopf schmerzte, der Magen befand sich in Aufruhr, Hände und Füße waren steif gefroren, soschien es ihr. Allmählich wurde ihr bewusst, wo sie sich befand. Die beiden Mönche waren da gewesen, hatten sie in die Krypta gesperrt. Der Kardinal war von ihnen entführt worden. Sie musste ihn finden und ihn befreien. Aber allein würde sie das nicht schaffen. Erst einmal musste sie aus dieser verdammten Krypta wieder herauskommen. Sie erhob sich langsam, immer an der Wand entlangtastend. Von weiter vorne kam ein schwaches Licht. Elisabeth erreichte das
Weitere Kostenlose Bücher