Die Köchin und der Kardinal
zum Spülen des Geschirrs verwendeten. Elisabeth rieb die Teller, Schüsseln und Löffel mit einem Schwamm und Sand aus, Agnes trocknete sie mit einem Leintuch. Elisabeth eilte in den Keller, um Sauerkraut aus dem großen Fass zu holen. Sie setzte es in einem großen Topf auf, würzte es mit Salz, Pfefferkörnern und Wacholderbeeren. Als Nächstes gingen sie in den Garten, um die letzten gelben Rüben und Kräuter zu holen. Nebel hatte sich über das Tal der Oos gelegt und machte alles düster, feucht und kalt. Elisabeth schnitt Peterling, Schnittlauch, Majoran und Melisse, Agnes zog gelbe Rüben aus der Erde und erntete Sellerie und Lauch. Wieder in der Küche, nahm Elisabeth Zwiebeln aus einem Korb und machte sich daran, alles auf einem Hackbrett zu zerkleinern. Zwischendurch kam Paul herein und legte Forellen, deren Augen und Leiber glänzten, sowie die Kalbskoteletts, Blut- und Leberwürste auf den Tisch. Die Wirtin Melvine kehrte vom Markt zurück, sie hatte Eier, Rahm und noch einiges mehr besorgt.
»Eine kleine Badegesellschaft hat sich zum Mittagessen angesagt«, meinte sie. »Die bekommen üblicherweise nur weißes Brot, gekochtes Kalbfleisch und Forelle gedünstet, von der Saaltochter serviert. Heute möchten sie mal über die Stränge schlagen, haben sie gesagt. In den Badeherbergen wird Diät gehalten.«
Agnes stellte eine Speckbrühe her, versalzte sie jedoch. Elisabeth schüttete sie wortlos in den Ausguss. Von der Kirche her schlug es zwölf Uhr.
»Wir müssen uns beeilen«, rief Melvine. »In einer halben Stunde kommen die Badegäste und wer weiß, wie viele andere Gäste noch dazu!«
Elisabeth hatte den Auftrag erhalten, sich um die Fische zu kümmern. Es wurde eng in der Küche. Weil Agnes nur im Weg stand, schickte Elisabeth sie noch einmal in den Garten, um weitere Kräuter zu schneiden. Bald dampfte und zischte es aufdem Herd, köstliche Düfte entwickelten sich. Elisabeth legte die Würste auf das Kraut und zog den Topf beiseite. Stimmengemurmel aus dem Gastraum verriet ihr, dass die ersten Gäste bereits eingetroffen waren. Paul rief ihnen die Bestellungen zu.
»Zweimal Forelle gedünstet, dreimal mit Kräuterrahm! Fünfmal Kalbskoteletts, sechsmal Blut- und Leberwurst mit Sauerkraut.«
Elisabeth ließ Butter in einer Pfanne zerlaufen, röstete Zwiebeln und Gemüse darin an und legte die mit Zitrone, Salz und Pfeffer gewürzten Forellen dazu. Nach dem Wenden gab sie dicken Rahm und klein geschnittene Kräuter dazu, löschte alles mit ein wenig Weißwein ab. Agnes richtete Zinnteller und Schüsseln her, auf denen Elisabeth und Melvine die Speisen verteilten. Agnes trug sie in den Gastraum. Eine weitere halbe Stunde hatten sie alle Hände voll zu tun. Manche Gäste aßen mehrere Gänge hintereinander und verlangten am Schluss noch Käse und Trauben. Aufgeregt kam Paul in die Küche und raunte Elisabeth zu: »Kardinal Weltlin, seines Zeichens Kardinal und Bischof von Straßburg, der gerade beim Markgrafen zu Besuch weilt, ist höchstselbst hier, bei uns im ›Roten Ochsen‹! Er will die Köchin sehen, die solche köstlichen Forellen in Kräuterrahm zubereiten kann!«
Elisabeth schoss wieder das Blut in den Kopf. Welche Ehre wurde ihr zuteil? Sie hatte das Kochen zwar gelernt, mit Hilfe ihrer Mutter und eines Kochbuches, das in der Bibliothek ihres Vaters gestanden hatte. Aber ihre Künste gingen doch nicht über das übliche Maß hinaus. Sie wusch sich die Hände, trocknete sie an ihrer Schürze ab und hoffte, der Kardinal würde nicht bemerken, wie sehr sie geschwitzt hatte. Kardinal Thomas Weltlin saß im Kreise vornehm gekleideter Frauen und Männer an einem der Tische. Er mochte um die vierzig Jahre alt sein. Das leicht gebräunte Gesicht verriet, dass er sich viel im Freien aufhielt. Auf seinem Kopf mit einem Kranz voller Haare saß die kleine, rote Kardinalskappe. Seine Augen blitzten sieschalkhaft an, seine Lippen mit dem dünnen Schnurrbart darüber kräuselten sich zu einem feinen Lächeln. Er trug eine schwarze Soutane mit langen Ärmeln, roten Knöpfen, Knopflöchern und Verzierungen. Als er aufstand, sah Elisabeth ein breites rotes Zingulum, das als Gürtel um seine Hüften geschlungen war. Sie warf einen Blick zurück in die Küche. Agnes stand mit verzerrtem Gesicht davor, Elisabeth wusste nicht, ob aus Wut oder aus Angst. Die Hand, die der Kardinal Elisabeth reichte, war feingliedrig, und am Finger trug er den Kardinalsring.
»Das war die beste Kräuterrahmforelle, die ich
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