Die Köchin und der Kardinal
in meinem bisherigen Leben gegessen habe«, sagte Thomas Weltlin. »Und ich bin wahrlich kein Kostverächter, wie man mir gewiss bescheinigen wird.«
Er blickte in die Runde, und die vornehm gekleideten Männer und Frauen nickten eifrig. Elisabeth knickste und küsste den Ring des Kardinals.
»So förmlich brauchen wir gar nicht zu sein«, meinte Weltlin. »Seid Ihr schon länger in den Diensten des Wirts vom ›Roten Ochsen‹?«
»Oh, nein«, entgegnete Elisabeth. »Es ist heute mein …«, sie warf noch einen Blick zur Küche, »es ist heute unser erster Tag in der Küche.«
Agnes löste sich aus dem Schatten und trat an den Tisch heran.
»Ich bin Elisabeths Schwester. Wir sind gestern aus dem Schwarzwald gekommen, aus Calw, auf der Flucht vor den kaiserlichen Söldnern.«
»Mir ist gestern meine Köchin davongelaufen«, sagte der Kardinal und verdrehte gespielt die Augen. »Wahrscheinlich hatte sie irgendwo ein Liebchen. Hättet Ihr nicht Lust, bei mir beziehungsweise beim Markgrafen in Dienst zu treten?«
Elisabeth war so überrascht, dass es ihr fast die Sprache verschlug.
»Aber ich bin ja erst …« Hilfesuchend schaute sie sich nach dem Wirt um. Der trat vor und beeilte sich zu versichern: »Das ist ohne Weiteres möglich, Eure Eminenz, denn ich habe ja noch die andere, ihre Schwester.«
Elisabeth bemerkte, wie Melvine das Gesicht verzog.
»Ich kann nur einfache Gerichte kochen, Eure Eminenz«, sagte Elisabeth. »Das, was man halt im Schwarzwald gerne isst.«
Der Kardinal lächelte sie wieder an. »Ich bin überzeugt, Ihr werdet sehr schnell lernen, wie man Gerichte mit noch mehr Raffinesse zubereitet. In Straßburg und in Paris, bei Hofe, liebt man die feine französische Küche. König Ludwig XIII. selbst ist ein begnadeter Koch!«
Elisabeth hob den Kopf. »Und selbst wenn ich es lernen könnte«, sagte sie, »würde ich doch nicht ohne meine Schwester gehen.«
Agnes’ Gesicht hellte sich bei diesen Worten auf. Sie lief auf ihre Schwester zu und umarmte sie stürmisch.
»Du willst mich mitnehmen, Elisabeth?«, rief sie und drehte sie im Kreis herum. »Ich danke dir so sehr!« Aller Augen waren auf sie gerichtet.
»Dann packt Eure Bündel und folgt mir zum Schloss«, meinte der Kardinal.
Während Elisabeth und Agnes ihre wenigen Habseligkeiten zusammenpackten, überlegte Elisabeth, was der Kardinal wohl mit seiner Einladung bezweckte. Erwartete er von ihr, dass sie nicht nur für ihn kochte, sondern dass sie auch seine Mätresse wurde? Sie hatte schon viel über das ungezügelte Leben der Adligen und auch der Kirchenmänner gehört. Aber sie wischte den Gedanken beiseite, schließlich konnte ihnen beiden nichts Besseres geschehen, als von einem Kardinal eingestellt zu werden, der auf der Seite der Franzosen und Schweden stand, gegen die Kaiserlichen.
Die beiden eilten die Treppe hinunter und schritten mit demKardinal und seinem Gefolge hinaus. Die Badegäste begaben sich in die Herbergen unterhalb des Schlosses. Die anderen gingen an der Kirche vorbei und folgten einem Weg, der durch Grünanlagen zum Schlossberg hinaufführte. Mächtig stand das Schloss da mit seinen Giebeln und Rundtürmchen, den schmalen Fenstern und Fahnen auf dem Dach. Über dem Eingangsportal war ein sandfarbenes Wappen befestigt, rechts und links waren Säulen angebracht. Sie erreichten den Empfangsraum, von Dienern flankiert. Die Decke des Raumes bedeckte vergoldeter Stuck, die Wände, an denen sich Ahnenbilder reihten, waren mit rotem Samt verkleidet. Von der Decke hing ein goldener Lüster herab, in dem viele Kerzen brannten und ein warmes Licht verbreiteten. Eine Dienerin geleitete Agnes und Elisabeth zu ihren Zimmern. So etwas Schönes hatte Elisabeth noch nie gesehen. Die Decke war weiß, von goldenen Friesen eingefasst, die Tapete aus blauem Samt. Nahe dem Fenster stand ein Bett, das von einem Baldachin gekrönt war. Vor dem verglasten Fenster bauschte sich eine Seidengardine. Elisabeth trat zum Fenster und blickte hinaus. Das sich weitende Tal der Oos tat sich vor ihr auf. Die Stadtmauer umschloss das Städtchen Baden mit einem dicken Wall und zweien der insgesamt vier Türme. Kleine Weiler lagen verstreut im Nachmittagslicht. In der Ferne konnte Elisabeth den blauen Kamm der Vogesen sehen. Weinberge zogen sich von den Waldrändern in die Ebene hinab. Aber der friedliche Schein trog. Überall sah Elisabeth Rauchsäulen, die zum Himmel stiegen, sah verwüstete Felder, die nicht mehr bebaut wurden. Elisabeth
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