Die Köchin und der Kardinal
totgeschlagen worden wäre. Aber ein befreundeter Pfarrer hat ihn auf Umwegen zu seinem Haus geführt. Schließlich musste er sich im Lautertal verstecken, bei einem Bauern in einem Heustadel, der ihm auch sein Essen brachte. Inzwischen soll er schon wieder mit dem Aufbau Calws beschäftigt sein.«
Woher konnte der Kardinal das wissen? Er war doch katholisch, der Superintendent von Calw dagegen protestantischcalvinistisch. Ach, die Welt ist ein Dorf, sagte Elisabeth sich. Dann waren gewiss auch ihre Eltern und ihr Bruder noch am Leben.
»Ich werde einen Brief nach Calw schreiben und nach Eurer Familie fragen«, sagte der Kardinal.
Vor Dankbarkeit hätte Elisabeth ihm die Hände küssen mögen. Als nächster Gang kamen am Spieß geröstete Kapaune mit einer Soße aus Zwiebelpüree, Eigelb, Champignons und Trüffeln. Die Gespräche plätscherten vor sich hin. Nach dem Dessert, Birnenkompott mit Zimtrahm, verkündete Markgraf Friedrich noch eine aufsehenerregende Neuigkeit.
»Wie mir von meinen Spähern zugetragen wurde, plant Wilhelm, der frühere katholische Markgraf, der nach Innsbruck geflohen ist, die Stadt Baden wieder einzunehmen. Er ist auf dem Weg hierher.«
Alle redeten durcheinander.
»Was wird geschehen?«
»O Herr im Himmel, steh uns bei!«
»Wo genau steht der Markgraf denn?«
»Er müsste inzwischen nahe Forbach im Murgtal sein«, berichtete der Markgraf. »Von da sind es nur zwei Tagesmärsche bis hierher.«
Ach, dass Gott sich unser erbarm, dachte Elisabeth. Sollte alles wieder von vorne losgehen?
Agnes schaute sie mit schreckgeweiteten Augen von der Seite an.
»Beruhigt Euch, es wird Euch nichts geschehen«, sagte der Kardinal. »Sie werden die Stadtmauer nicht überwinden. Und für den Fall, dass alle Stricke reißen sollten, werden wir den General Bernhard von Sachsen-Weimar herbeiordern, er steht ja nicht weit von hier am Oberrhein.«
5.
Im Schloss zu Baden war man dabei, die Lage zu erörtern.
»Ich werde sofort einen Boten zu Bernhard schicken«, sagte der Markgraf. »Und ich werde Anweisungen an die Bevölkerung geben, Nahrungsmittel zu rationalisieren.«
»Lasst Getreide, Fleisch, Eier, Gemüse, Wein und Bier von den umliegenden Orten in die Stadt schaffen«, riet der Kardinal.
»Und Branntwein!«, rief einer der Höflinge.
Da das Mahl beendet war, erhoben sich Elisabeth und Agnes zusammen mit den anderen. Für Tanz, Konfekt und Gespräch war nun keine Zeit mehr. Elisabeth sah die Angst in den Augen der Bediensteten. Der Kardinal bat die beiden Mädchen, ihm einen Moment Aufmerksamkeit zu schenken.
»Mein Angebot, Euch als Köchin in meine Dienste zu nehmen«, er schaute Elisabeth direkt an, »gilt nach wie vor und besonders in dieser neuen Lage. Ihr könnt uns helfen, die schwere Zeit, die uns bevorsteht, besser zu überstehen. Und Ihr«, er nahm Agnes ins Visier, »könnt Eurer Schwester dabei zur Hand gehen.«
Elisabeth merkte an Agnes’ Schnaufen, wie sie innerlich kochte. Agnes neigte den Kopf und sagte mit gepresster Stimme: »Jawohl, Eure Eminenz. Ich kann aber auch noch andere Sachen.«
O nein, dachte Elisabeth, sie wird ihm doch nicht ein unehrenhaftes Angebot machen?
»Was könnt Ihr denn noch, liebe Agnes?«, fragte der Kardinal lächelnd. Elisabeth versuchte sich zu erinnern, womit Agnes ihre freie Zeit in Calw eigentlich verbracht hatte.
»Ich kann nähen, schöne Kleider, Wämser und Hosen«, sagteAgnes mit einem Augenaufschlag zum Kardinal. »Und Tücher. Ich kann auch feine Muster sticken.«
»Wo habt Ihr denn das gelernt?«, fragte der Kardinal, an Agnes gewandt.
»Bei meiner Mutter. Ich habe auch für andere Leute genäht und gestickt und immer ein Lob dafür bekommen.«
»Und wo habt Ihr das Kochen gelernt?«, wollte der Kardinal von Elisabeth wissen. »Auch bei Eurer Frau Mutter?«
»Ja, grundsätzlich schon«, antwortete Elisabeth. »Aber die richtig guten Gerichte, die habe ich in einem Kochbuch …«
Das Gesicht des Kardinals wirkte gespannt. »Etwa im Köstlich new kochbuch von Anna Wecker?«, fragte er. Elisabeth nickte. Freudig stand der Kardinal auf und lief zu seinem Arbeitszimmer. Er kam mit einem dicken Buch zurück, das in helles Kalbsleder gebunden war. Ja, es war das Buch, das auch im Haus ihrer Eltern gestanden hatte. Elisabeth nahm es in die Hand und schlug es an einer beliebigen Stelle auf.
Der vierdte Theil.
Von allerhand Fisch/Su:eltzen vnd So:essen.
Wie man schwartze Karpffen seud.
Ihre Augen wurden feucht. Karpfen hatte es
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