Die Köchin und der Kardinal
immer am Heiligen Abend bei ihnen gegeben, blau, mit Essig übergossen und in leicht siedendem Wasser gekocht, dazu Karottenmus und Butter.
»Ihr könnt es haben«, sagte der Kardinal. »Ich schenke es Euch. Aber verwahrt es gut, es ist mir so lieb und wert wie König Ludwig XIII. sein eigenes.«
»Habt Dank, Eure Eminenz«, entgegnete Elisabeth und knickste.
»›Eure Eminenz‹ will ich jetzt nicht mehr hören«, meinte der Kardinal. »Nennt mich doch einfach ›Herr Weltlin‹.«
»Ich danke Euch sehr für dieses Geschenk, Herr Weltlin«, sagte Elisabeth und knickste abermals.
Agnes machte ein Gesicht, als erwarte sie ebenfalls ein Geschenk.Der Kardinal schien es zu bemerken und verschwand abermals in seinem Zimmer. Als er zurückkehrte, hielt er Agnes einen vergoldeten, mit winzigen Figuren besetzten Fingerhut hin, dazu Silbernadeln und Garnrollen in allen Farben.
»In der Zeugkammer haben wir auch wunderbare Stoffe, aus Calw, wo die Tuche die beste Qualität weit und breit haben. Da könnt Ihr Euch Kleider nähen, so viel Ihr wollt!«
Agnes schickte sich an, dem Kardinal den Ring zu küssen. Er hielt sie zurück, und sie warf ihm einen halb schmachtenden, halb ärgerlichen Blick zu.
»Ich möchte diese Förmlichkeiten von Euch beiden nicht mehr«, meinte er. Elisabeth dachte, dass ihnen nichts Besseres hätte geschehen können, als diesem Menschen mit dem Kardinalskäppchen zu begegnen.
»Darf ich Euch etwas fragen, Herr Weltlin?«, begann sie stockend. »Ihr könnt mich alles fragen, meine Liebe«, antwortete der Kardinal. Irrte sich Elisabeth, oder hatten seine Augen bei diesen Worten geflackert?
»Warum nehmt Ihr uns so herzlich auf, obwohl Ihr uns doch überhaupt nicht kennt?«
»Ich sehe es Euch an, dass Ihr keine Spione des Feindes seid«, antwortete der Kardinal. »Und als ich hörte, dass Ihr die Töchter des Mesners von Calw seid, in dem der Superintendent Andreä wirkt, war ich gleich von Euch eingenommen. Ausschlaggebend aber war die köstliche Forelle, die Ihr zubereitet habt.«
»Denkt Ihr gar nicht mehr an die Bedrohung, unter der wir stehen?«, wagte Elisabeth ihn zu erinnern.
»Es wird noch zwei, drei Tage dauern, bis die Feinde hier sind. Lasst uns jetzt zu Bett gehen, morgen werden wir die Vorräte sichten und neue beschaffen.«
Er neigte den Kopf, um sich zu verabschieden. Elisabeth und Agnes liefen über den Gang zu ihren Zimmern. Agnes verschwand grußlos in ihrer Tür. In ihrem Gemach schlüpfte Elisabeth in ein Hemd, das am Feuer vorgewärmt worden war undnach Lavendel duftete. In ihrem Bett, das mit einer richtigen Rosshaarmatratze und weichen Daunendecken versehen war, lag sie lange wach. Sie horchte auf die Geräusche des Schlosses, die allmählich leiser wurden. Draußen rief der Nachtwächter die elfte Stunde aus. Was hatte dieser Kardinal bloß für einen Narren an ihr gefressen? Fühlte er sich einsam, weil er nicht heiraten durfte? Vielleicht hatte er in Straßburg ein halbes Dutzend Mätressen sitzen. Elisabeth schob den Gedanken an ihn beiseite. Sie würde ihre Pflicht erfüllen, würde so gut für ihn kochen und für ihn sorgen, als es ihr möglich war. Agnes’ Verhalten bereitete ihr weit mehr Kopfzerbrechen. Sie war schon immer ein schwieriges Kind gewesen, schwer zufriedenzustellen. Immer hatte sie sich Elisabeth gegenüber benachteiligt gefühlt. Elisabeth beschloss, noch mehr auf sie achtzugeben, zumal ihnen allen eine schwere Zeit bevorstand. Was geschah um diese Stunde wohl im fernen Neuenbürg? War der Musketier Jakob auch unter denen, die nach Baden geschickt wurden, um Stadt und Schloss zu belagern und einzunehmen?
Im Schloss zu Neuenbürg schob General Jan van Werth die Reste seiner gebratenen Forelle von sich. Seine Augenbrauen in dem runden Gesicht schienen, wie stets, fragend hochgezogen.
»Ich habe gehört, dass der frühere Markgraf von Baden auf dem Weg zu seinem Stammschloss ist«, sagte er zu Jakob, der sich mit einer Serviette den Mund abwischte.
»Was bedeutet das?«, fragte Jakob zurück.
»Das bedeutet, dass die Badener mit Gewissheit Bernhard von Sachsen-Weimar rufen werden, um sie zu entsetzen. Also musst du mit mindestens tausend Mann, Kavallerie, Musketieren, Pikenieren und Fußvolk dorthin eilen, um Wilhelm zu unterstützen.«
»Kann ich einen Teil des Trosses mitnehmen?«, wollte Jakob wissen.
»Selbstverständlich. Aber denk daran, dass das Heer dadurchfast doppelt so groß und unbeweglicher wird. Ich kann dir auch weder Geld
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