Die Köchin und der Kardinal
noch Naturalien mitgeben, ihr müsst für euch selber sorgen.«
Van Werth winkte Jakob, ihm zu folgen. Sie betraten das Arbeitszimmer des Heerführers. Van Werth nahm eine Karte zur Hand.
»Es dürften etwa fünfundzwanzig Meilen sein, mit dem Tross zwei bis drei Tagesreisen. Ihr geht über Herrenalb nach Gernsbach, dort in der Nähe, in Forbach, stoßt ihr auf Markgraf Wilhelm und könnt mit ihm auf Nebenwegen nach Baden vorrücken.«
Früh am nächsten Tag ritt Jakob an der Spitze von drei Fähnlein und mit dem Tross im Gefolge durch das Enztal nach Süden. Der Fluss rauschte klar durch die noch grünen Wiesen. Nach Herrenalb ging es steil bergauf, Jakobs Rappe hatte Mühe, auf den steinigen Pfaden nicht zu stolpern. Das Heer lagerte im Klosterhof von Herrenalb. Eine kleine Gemeinschaft von Zisterziensern hatte sich hier zwischenzeitlich angesiedelt, aber sie konnten das Heer nicht verpflegen, da sie in Armut lebten. Bald waren Feuer entzündet, und Jakob wies seine Rottführer an, beim Plündern von Lebensmitteln niemanden zu verletzen. Derweil die Horden ausschwärmten, um für ein anständiges Abendessen zu sorgen, schritt Jakob sorgenvoll durch das Kloster. Zelte waren errichtet worden, Menschen redeten miteinander, warfen sich gegenseitig Scherzworte zu, Kinder wurden gewickelt und in Körbe zum Schlafen gelegt. Söldner saßen beisammen am Feuer und tranken aus Zinnbechern Wein, andere waren mit dem Säubern ihrer Musketen, Schwerter und Dolche beschäftigt. Das Kloster war aus rotem Sandstein erbaut und verfügte über eine Kirche mit Paradies, über ein Abteigebäude, eine Mühle, Scheunen und Wirtschaftshöfe. Jakob betrat die Kirche, in der Opferkerzen brannten. Der Geruch nach Weihrauch erinnerte ihn an die Kirche seines Heimatortes Kochel in Bayern. Er hatte mit seiner Familie aufeinem Hof unweit des Sees gelebt. Jakob ließ sich vor dem Altar auf die Knie nieder und betete.
»Lass mich diesen Feldzug glücklich führen und beenden, Herr. Ich habe mich schuldig gemacht vor deinem Angesicht, indem ich getötet habe, viele hundert Mal. Aber es ist dir zuliebe geschehen, Herr, denn wir sind im rechten Glauben.«
Waren sie das wirklich? Hatte nicht auch das Mädchen in Calw einen Glauben gehabt, nur halt nicht den seinen? Er vergrub das Gesicht in den Händen. Eine Zeit später kam der Marketender mit den Söldnern zurück. Sie luden ihre Beute im Klosterhof ab: Säcke voller Mehl, das die Frauen an den Feuern zu Brot verbuken, etliche Schweine, Rinder, Hühner, Ziegen, Wein- und Bierfässer. Das Vieh wurde geschlachtet, gehäutet, zerteilt und brutzelte dann an Spießen. Nach dem Essen trank Jakob mit seinen Soldaten einige Becher Wein und verzog sich dann in sein Zelt. Am nächsten Abend, die Sonne stand noch über den Bergen und über den Zinnen der Ebersteinburg, gelangten sie nach Gernsbach. Eine trutzige Stadtmauer hielt sie zunächst ab, aber die Gernsbacher öffneten freiwillig ihre Tore und gaben ihnen, was sie übrig hatten. In Forbach schließlich vereinten sie sich mit dem Heer des Markgrafen Wilhelm. Der Markgraf war eine stattliche, hochgewachsene Erscheinung. Unter dem Federhut wallte langes, lockiges Haar hervor, in seinem streng beherrschten Gesicht mit der spitzen Nase trug er einen an den Enden gewellten Schnurrbart. Über seinen Harnisch mit den steifen Lederstiefeln hatte er einen buntbestickten Umhang geworfen.
»Gut, dass Ihr kommt«, meinte er beim Eintreffen Jakobs und reichte ihm die Hand.
Er lud ihn ein, mit ihm in seinem Zelt zu Abend zu speisen.
»Ihr braucht nicht zu denken, dass mein Heer hungert«, sagte er, als weißes Brot, Braten und Wein aufgetragen wurden. »Mein Tross verfügt über genügend Nahrungsmittel, um eine Belagerung der Stadt Baden überstehen zu können.«
Dann wollte Wilhelm die Stadt also belagern. Das konnte Wochen, wenn nicht Monate dauern. Ob van Werth so lange im Winterquartier auf ihn warten würde?
Ach, es war einerlei, ob er nun im Winterquartier war oder bei einer Belagerung, es war immer einerlei und wiederholte sich endlos. Kaum war ein Quartier eingenommen, musste man weiterziehen, weil es leer gefressen war. Und kaum war man im nächsten Quartier angelangt, kam schon der Feind, um seinen Gegner zu vertreiben und selber an den Fleischtöpfen zu hocken. Nach dem Essen schaute Jakob nach seinem Rappen, den er inzwischen »Ferdl« getauft hatte, eine Verballhornung aus »Pferdchen« und »Ferdinand«, dem Namen des habsburgischen Kaisers.
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