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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Hühner, ganze Fuhren mit Getreidesäcken, Trauben und Wein. Dazu war ein Bataillon schwedischer Soldaten aus Durlach angerückt, um die Bürgerwehr zu verstärken. Die Stadtbewohner, die bewaffnet waren, wurden in Fähnlein aufgeteilt. Die Quartiere waren überfüllt, es wimmelte von Soldaten, Tieren, Wagen und Waffen. Die Bauern blieben gleich in der Stadt und baten um Aufnahme, aus Angst vor marodierenden Söldnern. Elisabeth half, so gut sie es vermochte, und hielt auch Agnes dazu an, sichnützlich zu machen. Der Pfarrer hielt einen Bittgottesdienst in der Kirche ab, Hunderte lauschten seinen Worten. Elisabeths Blick verweilte auf dem Rundbogen des Chorraums, auf den Steinkreuzen, Epitaphen und Grabmälern von Markgrafen und Pröbsten. Da lagen sie nun in der Ewigkeit, kein Hahn krähte mehr nach ihnen. Was hatten ihnen ihre Titel, ihre Kriege und Fehden genutzt? Mehr Geld eingebracht, mehr Land und Besitz? Als die Orgel den letzten Akkord spielte, hatte Elisabeth Tränen in den Augen. Agnes, die neben ihr saß, fasste nach ihrer Hand, und Elisabeth drückte sie dankbar. Als sie die Kirche verließen, sahen sie Soldaten, die Geschütze in Stellung brachten, an der Stadtmauer und überall. Viele Bürger liefen umher, mit Musketen, Degen und Dolchen bewaffnet. Die Musketen waren so lang und so schwer, dass sie mit beiden Händen gehalten werden mussten. Ochsen- und Eselskarren ratterten über das Pflaster des Platzes, Gänse schnatterten, ein Hahn krähte. Die Frauen machten ängstliche Gesichter und riefen ihren Kindern zu, ins Haus zu kommen. Im Schloss machte sich ebenfalls eine aufgeregte Stimmung breit. Hermine, Elisabeths Magd, berichtete ihr mit aufgerissenen Augen, dass der Feind schon beim Kloster Lichtenthal stehe, man sehe schon ihre Zelte und ihre Feuer. Inzwischen war es dunkel geworden, die Kälte kroch in jede Ritze und in jede Falte von Elisabeths Kleid. Hermine legte Holz im Ofen nach. Elisabeth kochte zum Abendessen eine Linsensuppe mit Speck. Von jetzt an würde sie mit den Vorräten haushalten müssen, niemand wusste, wie lange sie der Belagerung standhalten mussten. Beim Essen saß sie an der Seite des Kardinals. Die Tischgesellschaft war stiller geworden, jeder widmete sich ernsthaft seinem Essen. Der Kardinal brach ein Stück von dem dunklen Brot, das Elisabeth am Morgen gebacken hatte.
    »Es muss ja nicht immer weißes Brot sein, dieses hier schmeckt auch vorzüglich«, sagte er.
    »Wir sind gerüstet«, meinte der Markgraf. »Die Vorratskammernsind gefüllt. Wir werden die Belagerung ein paar Wochen durchhalten können, vorausgesetzt, die Mauern halten stand.«
    »Und was ist, wenn sie nicht standhalten?«, wollte der Truchsess, ein rundlicher, junger Mann, wissen.
    »Dann müssen wir uns ihrer Gnade ergeben«, fiel der Kardinal ein. »Betet und tut alles, um unsere Stadt zu verteidigen!«
    »Im November soll Bernhard von Sachsen-Weimar zwölftausend Soldaten und fünfhunderttausend Livres von Kardinal Richelieu bekommen«, meinte der Markgraf. »So lange halten wir auf jeden Fall durch.«
    »Ist genügend Verbandszeug vorhanden, falls es Verwundete gibt?«, fragte Elisabeth.
    »Wir haben die Frauen angewiesen, Leinen in Streifen zu schneiden«, antwortete der Markgraf. »Die Bader und Ärzte der Stadt halten sich bereit.«
    »Eure Magd Hermine hat das Heilwissen von ihrer Mutter mitbekommen«, sagte eine Hofdame. »Sie hat mir schon viel geholfen, wenn es mir einmal nicht gut ging.«
    So, die Hermine, dachte Elisabeth. Sie würde sie demnächst einmal eingehend befragen. In der Nacht träumte sie von Kroaten und Italienern, die in die Stadt hereinbrachen. Sie töteten alles, was ihnen in den Weg kam, spießten Kinder auf, vergewaltigten Frauen, auch alte und schwangere, und am Schluss ging alles in einem Flammenmeer auf. Schweißgebadet erwachte sie. Hermine stand an ihrem Bett. »Ihr habt geschrien, Herrin, da wollte ich nach dem Rechten sehen.«
    Hinter dem Glas und den Gardinen des Fensters dämmerte der Morgen herauf. Es war beunruhigend still, kein Vogel zwitscherte. Das Schloss erwachte allmählich zum Leben, Schritte knarrten auf dem Korridor. In diesem Augenblick dröhnte ein ungeheurer Knall durch die Stadt, der das Schloss erzittern ließ.

6.
    Elisabeth hörte Frauen kreischen, hörte Kinder weinen und Männerstimmen fluchen. Agnes kam mit bleichem Gesicht aus ihrem Zimmer. Zusammen mit Hermine liefen sie die Treppe hinunter, auf die Terrasse vor dem Haus, von der aus man fast

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