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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Vielleicht brachte das Ross ihm Glück. Auf seiner Strohunterlage sann er lange nach, aber er wusste nicht, was er hätte anfangen können, außer dem Kaiser zu dienen und für ihn Krieg zu führen.
    Am Morgen rüstete sich das Heer zum Aufbruch. Ein Fanfarenstoß ertönte, die Trommeln wurden geschlagen. Die Fahnenträger marschierten dem Zug voran. Jakob saß aufrecht auf seinem Rappen, mit dem Heer und dem Tross im Gefolge ging es den steilen Weg nach Bermersbach hinauf. Sie kamen nur langsam voran. Im Dorf schauten die Menschen ängstlich aus ihren Fenstern. Während sich der Heereszug durch den Wald und über Hügel und Berge wälzte, hing Jakob seinen Gedanken nach. Wenn sie an einem einsamen Gehöft vorüberkamen, mit Schindeln verkleidet und mit weit heruntergezogenem Walmdach, musste er an den Hof seiner Eltern denken. Sie waren nicht reich gewesen, hatten es aber zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Und in dem Augenblick, in dem sie diesen Wohlstand zu genießen beginnen wollten, war das Heer der Schweden über das deutsche Reich und das der Bayern hereingebrochen und hatte mit einem Schlag alles, was für ihn von Bedeutung war, ausgelöscht: Eltern, Geschwister, Knechte, Mägde, Freunde und Verwandte im Dorf. Den Schweden wares mit dem Töten nicht genug gewesen, nein, sie hatten die Menschen auch noch gefoltert und gequält, um die Verstecke ihrer Wertsachen aus ihnen herauszupressen. Und dann hatten sie das Haus angezündet, Felder und Vorratshäuser geplündert und verwüstet. Er spürte, wie so oft, eine heiße Wut in sich aufsteigen, und er hätte am liebsten alles vernichtet, was sich ihm in den Weg stellte. So ließ er, genau wie der Markgraf, auch die Söldner gewähren, die sich von den Bauern und Dörflern holten, was sie konnten. Die Sonne war inzwischen über den Bergen emporgestiegen und löste die Nebel in dünne Fetzen auf. Jakob dachte an seine Flucht quer durch das Bayernland, an mitleidige Menschen, die ihm geholfen und ihn mit Nahrung versorgt hatten. Bis er sich schließlich in das Heer des Johann von Werth anwerben ließ. Unter ihm hatte er auch in Nördlingen gekämpft. Es war ihm eine Genugtuung gewesen, das protestantische Heer fliehen zu sehen. Jedoch hielt dieses Gefühl der Befriedigung nicht an. Je weiter der Krieg ging, desto gleichgültiger wurden ihm seine Umwelt und er sich selbst. Er war abgestumpft durch die Rohheit, ja, Zerstörungslust, mit der allenthalben vorgegangen wurde. Erst in dem Landstädtchen im Schwarzwald, in Calw, war er aufgerüttelt worden. Das grausame Verhalten der Söldner, die Behandlung der Mesnersfamilie und aller anderen Familien, die Verfolgung der Flüchtlinge, all das hatte er nicht mehr hinnehmen können. Und von den Augen des Mädchens im Schrank träumte er immer noch. Was wäre, wenn sie in der Stadt weilte, die zu belagern sie im Begriff waren?
    »Na, Ferdl«, sagte er zu seinem Rappen, dessen Kopf vor ihm auf und nieder wippte, »wird Zeit, dass ich dich mal wieder selber striegele. Dein Fell hat an Glanz verloren, deine Mähne ist struppig, und du brauchst sicher eine Extraration Heu, so mager, wie du geworden bist. Was meinst du, wird uns in den nächsten Tagen erwarten?«
    Ferdl schnaubte und schüttelte den schmalen Pferdekopf.
    »Wir sind tausend Leute von Jan van Werths Heer«, fuhr Jakob fort. »Dazu kommen etwa achthundert Mann vom Markgrafen. Das dürfte reichen, um die Stadt binnen Kurzem einzunehmen.«
    Ferdl stieß ein kurzes Wiehern aus.
    »Und wir haben drei Kanonen, zehn Falkonette, zwanzig Haubitzen und Feldschlangen, dazu die Musketen und Piken.«
    »Mit wem redet Ihr denn da?«, fragte ihn ein Reiter der Kavallerie, der vorüberritt.
    »Mit mir selbst«, entgegnete Jakob. Der Reiter gab seinem Pferd kopfschüttelnd die Sporen.
    Am Abend kam das Kloster Lichtenthal in Sicht. Das Heer lagerte oberhalb davon auf einer Wiese, wieder wurden Zelte aufgebaut, Kanonen und Waffen gesäubert, Feuer wurden entfacht. Ein Trupp Söldner lief zum Kloster, um Vorräte zu erbeuten.
    Markgraf Wilhelm rief Jakob zu sich in sein Zelt, um die Lage zu beraten.
    »Morgen früh schlagen wir los«, sagte der Markgraf. »Ich träume schon seit Jahren davon, mein Schloss und meine Grafschaft wieder in Besitz zu nehmen.«
    Im Schloss und in der Stadt war man immer noch emsig damit beschäftigt, Vorräte für die Zeit der Belagerung zu sammeln und einzulagern. Der Markgraf hatte aus den umliegenden Dörfern Vieh herbeischaffen lassen, Gänse,

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