Die Köchin und der Kardinal
Feinden gerettet«, gab sie zurück. »Erinnert Ihr Euch daran? Es war in Calw. Meine Eltern und mein Bruder sind seitdem verschwunden.«
Jakob hob bedauernd die Hände, zuckte aber gleich darauf vor Schmerz zusammen.
»Ich habe leider auch nichts mehr von ihnen gehört.«
»Auch nicht von meiner Tante?«
Jakob schloss die Augen und schwieg. Elisabeth dachte schon, er sei eingeschlafen oder ohnmächtig geworden, da fuhr er fort: »Von Eurer Tante weiß ich nichts. Seid froh, dass Ihr über die Mauern entkommen seid, Elisabeth! Diese Nacht in Calw war das Schlimmste, was ich in meiner Zeit in der kaiserlichen Armee erlebt habe. Ganz abgesehen von dem, was vorher geschah.«
Er schwieg erneut. Elisabeth wollte nicht weiter in ihn dringen. Sie nahm seine Hand.
»Ich werde Euch jetzt ruhen lassen, es fehlt Euch ja offensichtlich an nichts. Allerdings sagte mir meine Magd Hermine, es sei nachts so kalt, dass Ihr zu erfrieren droht?«
Er öffnete noch einmal die Augen, blinzelte sie an.
»Ob ich nun hier sterbe oder auf dem Schlachtfeld, ist eins.«
»So dürft Ihr nicht reden!«, antwortete Elisabeth. »Wir werden für Euch sorgen, so lange es notwendig ist.«
»Ich habe gehört, dass die Kaiserlichen wieder abgezogen sind«, sagte Jakob mit einem schwachen Lächeln. »Am liebsten würde ich ihnen hinterherziehen.«
Hatte Hermine ihm das erzählt? Elisabeth hätte es ihm lieber so lange wie möglich verschwiegen.
»Das habt Ihr sicher selbst gemerkt«, meinte sie. »Aber es ist nicht ratsam für Euch, ihnen zu folgen. Ihr könntet verbluten, erfrieren oder verhungern!«
Elisabeth sah, dass Jakob vollkommen erschöpft war. Er schlief ein, und sie legte vorsichtig die Decke über ihn. Einen Augenblick stand sie noch und betrachtete sein Gesicht, über das leichte Wellen liefen, als träume er schlecht. Schließlich riss sie sich los und ging durch den Garten zurück zum Eingang, an dem Hermine auf sie wartete.
»Hast du dich freimachen können?«, fragte Elisabeth.
»Ja, der Beikoch des Markgrafen übernimmt die Zubereitung des Abendessens, der hat eigene Gehilfen. Aber Agnes, Eure Schwester, hat geschimpft, dass sie nicht auch freibekommt.«
»Sie wird ein andermal Gelegenheit erhalten, sich in der Stadt zu tummeln«, versetzte Elisabeth. Die beiden Frauen durchquerten die Halle des Schlosses und traten ins Freie. Der Himmel wies inzwischen Wolkenlücken auf, so dass die Stadt an einigen Stellen von der Sonne erleuchtet war. Elisabeth und Hermine stiegen die Treppe hinunter, die auf den Platz mit den Badehäusern führte. Auf dem Rasen blühten noch die zartvioletten Herbstzeitlosen, auf den Beeten Astern, Geranien und Rittersporn. Elisabeth fühlte sich wie befreit. Doch gleichzeitig bedrückte sie der Gedanke, dass sie einen Ort finden musste, an dem sie Jakob gefahrlos verstecken konnten. Und würde er überhaupt einwilligen? Seine Verletzung war nicht so tief, wie sie zunächst gedacht hatte. Sie würde in ein bis zwei Wochen ausgeheilt sein. Und dann? Elisabeth schob den Gedankendaran weit weg. Jetzt war Heute, für das Morgen würde sich schon eine Lösung finden. Elisabeth fiel auf, dass die schwedischen und französischen Söldner aus der Stadt verschwunden waren. Sie überquerten den Marktplatz und gelangten bald zum »Roten Ochsen«. Die Tür der Wirtschaft stand offen. Mit einem Blick sah Elisabeth, dass hier nicht mehr so viele Gäste einkehrten wie noch kurz zuvor. Zwei Badegäste in vornehmer Kleidung saßen an einem der Tische und tranken Wein aus dickwandigen Bechern. Paul und Melvine standen hinter dem Tresen und unterhielten sich mit den Gästen. Als sie Elisabeth erblickten, glitt ein freudiges Lächeln über ihre Züge.
»Das ist schön, dass Ihr wieder einmal vorbeikommt«, sagte Paul. Sein langes Haar war sorgfältig gewaschen und gekämmt. Auch seine Frau sah genauso rund und appetitlich aus wie immer.
»Wir haben heute frei«, erklärte Elisabeth. »Und da dachten wir, wir könnten doch mal in die Stadt hinuntergehen und den ›Roten Ochsen‹ besuchen. Das ist übrigens meine Magd Hermine«, setzte sie hinzu.
»Und, wie gefällt es Euch auf dem Schloss?«, fragte Melvine und nickte Hermine zu.
»Wir haben alles, was wir brauchen«, antwortete Elisabeth.
»Das kann man von uns nicht behaupten«, kam es von Paul. »Seitdem die Söldner die Stadt verlassen haben, geht es bergab mit uns. Die wenigen Badegäste, die geblieben sind, wohnen in den Herbergen, wir bekommen kaum noch
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