Die Köchin und der Kardinal
Essen. Während der Mahlzeit wurde nur über Belangloses geplaudert. Am Nachmittag legten die Mägde zusammen mit Elisabeth das Wildbret ein, mit Essig, Pfefferkörnern und Wacholderbeeren. Immer wieder dachte Elisabeth an Jakob in der Gartenlaube und hoffte, dass Hermine ihn unbeobachtet hatte versorgen können. Endlich war das Abendessen beendet. Elisabeth bat darum, sich früh zurückziehen zu dürfen. Der Kardinal schaute sie bedauernd an, Agnes warf ihr einen Blick zu, den Elisabeth nicht deuten konnte. In ihrem Zimmer versuchte sie, sich zu beruhigen. Es klopfte. Elisabeth erschrak. Wer könnte sie jetzt noch besuchen?
Es war Agnes.
»Bist du krank?«, fragte sie und sah sie forschend an.
»Ich glaube, es war alles ein wenig viel für mich«, antwortete Elisabeth.
»Für mich war es auch zu viel«, meinte Agnes mit heruntergezogenen Mundwinkeln.
»Angefangen in Calw mit den vielen mordenden Soldaten. Glaubst du, ich hätte gewollt, das alles so kam, wie es nun gekommen ist?«
Elisabeth machte einen Schritt auf sie zu. »Agnes, wir können es nicht mehr ändern und müssen versuchen, das Beste daraus zu machen.«
Agnes Stimme wurde lauter. »Das Beste? Ja, du machst das Beste daraus, Elisabeth, so, wie du es schon immer getan hast! Für mich fielen immer nur die Brocken vom Tisch, derweil du den Löwenanteil eingestrichen hast, bei allem. Immer hieß es, Elisabeth hier, Elisabeth da. Und ich stand daneben und habe mir überlegt, was ich tun könnte, damit auch mich einmal alle bewundern und hofieren!«
»Du hättest nur etwas lernen, mehr aus dir machen müssen, um anerkannt zu werden, Agnes. Mir ist es auch nicht in den Schoß gefallen.«
»Ach, du meinst das, was man allgemein deine Kochkunst nennt? Pah, das kann jeder lernen.«
»Aber du hast es nicht gelernt, Agnes! Deshalb möchte ich dich bitten, wenigstens hier auf dem Schloss, in dieser schweren Zeit, mir zur Seite zu stehen und mir in der Küche zu helfen.«
»Das tue ich doch.«
»Und was ist mit dem Nähen? Du hast doch zum Kardinal gesagt, du könntest Kleider und andere Dinge nähen. Dann fang doch damit an. Jeder wird dich bewundern!«
Agnes ließ den Kopf, den sie sehr hoch getragen hatte, sinken.
»Ich weiß nicht, ob ich es wirklich jemals richtig konnte«, gab sie kleinlaut zu.
»Dann fang doch gleich morgen an, oder heute Abend noch. Der Kardinal hat dir ja Nähzeug gegeben.«
Auf Agnes’ Gesicht erschien ein Lächeln. Sie trat auf Elisabeth zu, nahm sie in die Arme und küsste sie auf beide Wangen.
»Du bist so gut zu mir, Elisabeth. Ich gehe jetzt auf mein Zimmer und fange an zu üben. Eine gute Nacht wünsche ich dir!«
Das will ich hoffen, dass es eine gute Nacht wird, dachte Elisabeth. Sie setzte sich auf ihr Bett und lauschte auf die Geräusche im Schloss. Allmählich wurde es ruhig. Elisabeth warf ihre Schecke über und verließ leise den Raum. Die Tür zog sie so hinter sich zu, dass Agnes im Nebenzimmer es nicht hören konnte. Auf Zehenspitzen lief sie die Treppe hinab. Die Tür zum Garten hin war nicht versperrt, weil das Gelände von einer Mauer umschlossen war. Der Mond hatte abgenommen, es war nur noch eine Sichel zu sehen. In dem schwachen Licht tastete sich Elisabeth zur Gartenlaube vor. Im Innern war alles still. Sie öffnete die Tür und glitt hinein. Zunächst erschien ihr alles dunkel. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen daran. Elisabeth nahm einen Schatten am Boden wahr. Der Geruch nach verschorftem Blut stieg ihr in die Nase. Sie erschrak. Ob Jakob überhaupt noch am Leben war? Elisabeth kniete sich vor den Kissen hin und streckte ihre Hand aus. Jakob war in ein Fell gehüllt, darüber hatte Hermine eine Decke gebreitet. Sein Körper fühlte sich warm an, langsam hob und senkte sich seine Brust. Er schien aber nicht bei Bewusstsein zu sein. Eine Zeitlang kniete Elisabeth an Jakobs Lager. Wenn er doch wach würde, wenn sie nur einmal den Gegendruck seiner Hand spüren könnte! Sie schaute zum Schloss hinüber, das in völliger Dunkelheit lag. Hinter dem Laden von Agnes’ Fenster erschien ein Licht. Gleich darauf wurde der Laden aufgestoßen. Ob sie wusste, dass ihre Schwester in der Gartenlaube war? Elisabeth wagte kaum zu atmen. Nicht auszudenken, was geschehen könnte, wenn Agnes von Jakobs Anwesenheit erfuhr! Sie würde es dem Kardinal und allen erzählen, die davon hören wollten. Der Kardinal würde sie verstoßen. Und wohin sollte sie dann gehen? Die Stadt war ringsum von den Kaiserlichen
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