Die Köchin und der Kardinal
offen zu meiner Überzeugung stehen kann, sei dahingestellt. Philipp von Sötern, der Erzbischof von Speyer, hat mir schon einmal eine Warnung zukommen lassen. Ich als Kardinal, als vom Papsternannter Würdenträger der Kirche, müsse mich von solchen ketzerischen Lehren fernhalten und dürfe nichts zu ihrer Verbreitung beitragen.«
»Mein Vater war Mesner in der Kirche von Andreä«, entgegnete Elisabeth. »Er hat mit uns über Luther, Zwingli und Calvin gesprochen.«
»Dann kennt Ihr also das reformerische Gedankengut ein wenig. Elisabeth, ich bin mir sicher, dass Ihr Eure Familie wiedersehen werdet. Wenn Ihr nach Calw zurückgehen wollt, kann ich Euch nicht halten, aber es würde mir sehr leidtun.«
»Ich gehe nicht nach Calw zurück«, sagte Elisabeth. »Wolltet Ihr nicht einen Brief an Andreä schicken und ihn nach meiner Familie fragen?«
Der Kardinal griff sich an den Kopf. »Wie konnte ich das nur vergessen! Gestern ist eine Antwort gekommen. Eure Familie ist in Calw nicht wieder aufgetaucht. Und es weiß auch niemand, wohin sie gegangen sein könnte.«
Elisabeth schaute ihm forschend ins Gesicht. »Und unsere Tante aus Neuweiler?«
Der Kardinal räusperte sich. »Die ist ebenfalls verschollen.«
»Ich danke Euch von ganzem Herzen, Herr Weltlin«, sagte Elisabeth, »dass Ihr diesen Brief geschrieben, dass Ihr mich als Köchin eingestellt und auch meine Schwester aufgenommen habt. Wie kann ich Euch das nur vergelten?«
»Das könnt Ihr mir vergelten, indem Ihr für mich kocht und mir ein wenig Gesellschaft leistet. Ich habe Euch gern um mich.«
»Müsst Ihr nicht Euren kirchlichen Verpflichtungen nachgehen?«, fragte Elisabeth.
»Ja, Ihr habt recht«, antwortete er und machte ein bedauerndes Gesicht. »Demnächst muss ich nach Straßburg und sollte mich dort um mein Domkapitel kümmern. Heute Nachmittag möchte ich Euch übrigens freigeben. Aber kommt am Abend, sobald es dunkel ist, zu mir, ich möchte Euch noch etwas zeigen.«
Bei diesen Worten machte Elisabeths Herz einen Sprung. Einen Nachmittag lang sollte sie freihaben!
»Ich werde zunächst einmal mit Hermine in den Gemüsegarten gehen, um nach dem Rechten zu sehen«, sagte sie. »Dann möchte ich in die Stadt hinunter.«
»Ihr braucht mir nicht zu erklären, was Ihr mit Eurer freien Zeit macht«, antwortete der Kardinal. »Kommt, wie gesagt, gleich nach dem Abendessen zu mir.«
Damit war Elisabeth entlassen. Sie lief in die Küche, um Hermine zu holen. Zusammen betraten sie den Garten.
»Ist Jakob gut versorgt?«, raunte sie ihrer Magd zu, indem sie einen verstohlenen Blick auf die Gartenlaube warf.
»Ja, er ist bei Bewusstsein, isst und trinkt«, gab Hermine leise zurück, »aber er kann dort nicht bleiben, er wird uns des Nachts noch erfrieren.«
Scheinbar harmlos plaudernd setzten sie ihren Weg zum Gemüsegarten fort. An den Rebstöcken hingen noch Trauben; Kohl und anderes Wintergemüse war in Reihen angepflanzt.
»Wir müssen ihn ins Haus bringen«, sagte Elisabeth. »Am besten noch heute Nacht.«
Hermine schaute zum Himmel, der bedeckt war. »Es wird früher dunkel jetzt«, meinte sie. »Wir könnten es gleich nach dem Abendessen tun.«
»Nein, später«, versetzte Elisabeth. »Ich muss noch zum Kardinal, er will mir etwas zeigen.«
Hermine gluckste. »Was wird er Euch wohl zeigen wollen?«
»Ich weiß es nicht, Hermine. Auf jeden Fall habe ich heute Nachmittag frei und will in die Stadt hinunter. Meinst du, dass du auch freibekommen könntest?«
»Mal sehen, was sich tun lässt«, meinte Hermine.
Elisabeth gab sich einen Ruck. »Ich möchte noch einmal kurz in die Gartenlaube«, sagte sie. »Geh schon voraus und achte darauf, ob jemand kommt.«
Mit klopfendem Herzen betrat Elisabeth die Laube. Jakobblickte ihr entgegen. In seinem Gesicht zuckte es. War es der Schreck über den unerwarteten Besuch, war es Freude? Sein Haar war wirr, die Decke hatte er, halb sitzend, um seinen Oberleib geschlungen. Auf einem Holzbrett stand ein Becher mit Wein, daneben lagen Brot, Käse und Schinken. Jakobs Hals war frisch verbunden. Helm und Harnisch waren in einer Ecke gestapelt, zusammen mit seinem Degen.
»Ich bin Euch zu tiefem Dank verpflichtet, dass Ihr mich vor den Schweden gerettet habt«, sagte er mit rauer Stimme. »Aber Ihr bringt Euch selbst in Gefahr. Ihr habt mich mitten ins Lager meiner Feinde gebracht!«
War das alles, was er über diese Angelegenheit dachte?
»Jakob, Ihr habt mich und meine Schwester ebenfalls vor den
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