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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Markgrafen«, meinte Agnes. »Der wird dir schon gute Leute zusammenstellen.«
    Elisabeth sah ihre Schwester halb erstaunt, halb bewundernd an.
    »Manchmal hast du ja richtig gute Einfälle!«, lobte sie Agnes.
    »Pah, und nicht nur manchmal«, entgegnete Agnes. Die Aussicht auf die Reise hatte sie völlig verwandelt. Ihre Augen glänzten. Die beiden ließen sich gleich von einem Diener zum Markgrafen führen. Er saß in seinem Studierzimmer und schrieb mit einer Feder und Tinte in ein gebundenes Heft. Bei ihrem Eintreten erhob er sich und kam auf sie zu. Sein breites, gutmütiges Gesicht lächelte sie gewinnend an.
    »Ich habe gehört, Ihr wollt uns verlassen? Das finde ich aber sehr schade, ich hatte mich so sehr an Euch gewöhnt.«
    »Der Kardinal möchte uns bei sich haben«, meinte Elisabeth. »Erstens vermisst er meine Kochkünste, zweitens seien wir dort sicherer.«
    »Das kann ich nicht ableugnen«, erwiderte der Markgraf und furchte seine glatte Stirn. »Am liebsten würde ich ebenfalls fortreisen. Aber mein Platz ist hier, in meiner Residenz. Werweiß, ob Wilhelm mit den Kaiserlichen nicht noch einmal vorbeikommt!«
    Das verhüte Gott, dachte Elisabeth. Aber sie sagte nichts.
    »Der Kardinal hat auch mir geschrieben«, fuhr der Markgraf fort. »Ich werde Euch für die Fahrt ausrüsten. Ihr könnt morgen früh schon reisen.«
    »Wie weit ist es bis Straßburg?«, fragte Agnes.
    »Eine Tagesreise«, war die Antwort des Markgrafen. »Ich gebe Euch einen Wagen, Decken, vier Pferde, Proviant und sechs Männer als Geleitschutz mit. Derweil könnt Ihr schon packen gehen.«
    Damit waren sie entlassen. Elisabeth und Agnes begaben sich in ihre Räume. Elisabeth schaute sich in dem Zimmer um, das ihr eine Zeitlang zur zweiten Heimat geworden war. Immer noch klatschten Tropfen gegen die Fensterscheiben, das Feuer im Kamin flackerte, als hätte es einen Luftzug abbekommen. Elisabeth packte ihre Sachen zusammen und verstaute sie in einem Leinensack. Einen letzten Blick wollte sie in den Garten mit der Laube werfen. Sie öffnete das Fenster. Der Wind spie ihr einen Schwall Regen ins Gesicht. Der Garten wirkte öde und verlassen, das Gras war gelb geworden, letzte Kohlstrünke und Rebstöcke fristeten ihr trostloses Dasein. Das Laub des Efeus an der Laube war braunrot verfärbt. Einen Augenblick lang gab sich Elisabeth ihrer Erinnerung hin, wie sie am Abend zu Jakob gegangen war und nicht wusste, ob er überlebt hatte. Er würde genauso überleben, wie sie und Agnes in Calw überlebt hatten, dessen war sie sich gewiss. Elisabeth schloss das Fenster und stellte den Leinensack neben die Tür. Mit ihrem Felleisen eilte sie zum Arbeitszimmer des Kardinals. Sie schaute sich nach allen Seiten um, bevor sie es betrat. Es dauerte eine Weile, bis sie hinter all den Büchern das Geheimfach gefunden hatte. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn. Doch dann zog sie die Bücher heraus, es waren insgesamt vier: »Galileis Dialog«, »Von der Freiheit eines Christenmenschen« des Dr. MartinLuther, je eins von Kopernikus und von Kepler, und zuletzt kam ein Buch zutage, bei dessen Anblick Elisabeth der Atem stockte. Es war die Lutherbibel. Auf dem Ledereinband stand in geschnörkelten Lettern: »Biblia: Das ist: Die ganze Heilige Schrift Deudsch, von Dr. Mart. Luth., Anno 1542.« Die anderen Bücher hatte Elisabeth schon im Rucksack verstaut. Fast ehrfürchtig strich sie über das fast hundert Jahre alte Buch.
    Sie hatte die Bibel freilich schon im Haus ihres Vaters gesehen. Wie auch Andreä war ihr Vater Anhänger Calvins, als dessen Glaubensgrundlage ein arbeitsames und gottgefälliges Leben angesehen wurde. So hatte die katholische Kirche also verhindern wollen, dass das einfache Volk die Bibel lese, im Gegensatz zu den Gebildeten, Adligen und Wissenschaftlern!
    Elisabeth zuckte zusammen, weil sie meinte, ein Geräusch hinter sich gehört zu haben. Sie nahm die Bibel, steckte sie zu den anderen in den Rucksack, verschloss ihn und rückte die anderen Bücher wieder an ihren Platz. Ungesehen erreichte sie ihr Zimmer. Dort stopfte sie Kleinigkeiten wie Kamm, Spangen, Armbänder, Tücher und warme Handschuhe hinein, damit niemand die Bücher gleich finden sollte. Zuoberst legte sie das Kochbuch der Anna Wecker. Den Rucksack wollte sie immer bei sich tragen. Den beiden Schwestern zu Ehren wurde am Abend noch einmal ein Festmahl bereitet. Der markgräfliche Koch hatte sich alle erdenkliche Mühe gegeben. Es gab Bohnenpüree mit Feigen, Zwiebeln

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