Die Köchin und der Kardinal
Verhalten ihrer Schwester hätte ändern können.Tagelang hing ein zäher Nebel im Tal, der auf das Gemüt drückte. Elisabeth besuchte häufig Melvine und Paul, weil sie die Einzigen waren, mit denen sie noch reden konnte. Die beiden klagten zunehmend über ausbleibende Gäste. Jetzt, vor Beginn des Winters, hatten die Badegäste ihre Besuche in der Stadt ganz eingestellt. Söldner zogen nur vereinzelt durch. Nicht, dass sie sie herbeiwünschen würde, meinte Melvine, aber sie hätten eben kein Auskommen mehr. Elisabeth unterstützte sie, so gut sie konnte. Die Gulden in dem Beutel vom Kardinal wurden auch immer weniger. Es wurde Zeit, dass er zurückkehrte oder Agnes und sie sich eine Arbeit suchten. Nach Calw zurückzugehen traute Elisabeth sich immer noch nicht.
Eines Abends kehrte sie von einem Besuch im »Roten Ochsen« zurück. Krähen schwirrten über dem Schloss, als sie sich ihm näherte. Nach dem Abendessen begab sie sich früh auf ihr Zimmer. Wie immer brannte ein warmes Feuer im Kamin. Um noch ein wenig bei Kerzenschein zu lesen, verließ sie ihren Raum noch einmal und schritt zur Bibliothek des Kardinals. Eine gespenstische Stille lag in dem langen Gang, der nur schwach von ihrer Kerze erleuchtet wurde. Vor ihr huschten mit einem Mal zwei Schatten entlang. Elisabeth glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Es waren zwei Mönche im Habit der Dominikaner, weiß mit schwarzem Kapuzenumhang. Sie verschwanden in der Tür zur Bibliothek. Die Tür quietschte leise. Mit weichen Knien setzte Elisabeth ihren Weg fort. Sie öffnete die Tür einen Spalt weit und spähte in den Raum. Alles war dunkel und verlassen. Der Regen klatschte gegen die verglasten Fenster. Elisabeth hob die Kerze an. Sollte sie nachschauen, ob in dem Fach hinter dem Bücherregal etwas fehlte? Aber nicht, solange sie vielleicht noch in diesem Raum waren! War sie einem Trugbild erlegen? Elisabeth drehte sich langsam um. Wieder sah sie zwei Schatten, die jetzt durch die Tür hinausglitten. Das konnte sie sich nicht eingebildet haben! Mit einem Sprungwar sie dort und riss die Tür auf, aber es war nichts mehr zu sehen. Ihre Kerze hatte sie in der Bibliothek stehen lassen. Schnell suchte sie ein Buch aus dem Regal aus, nahm die Kerze, schloss die Tür und rannte zu ihrem Zimmer zurück. Sie schob den Riegel vor und sank aufatmend auf ihr Bett.
Am anderen Morgen erwähnte sie das nächtliche Vorkommnis mit keiner Silbe. Doch sie schrieb einen Brief an den Kardinal in Straßburg und übergab ihn einem Boten, dem sie vertraute. Vier Tage später kam er mit einer Antwort des Kardinals zurück.
»Elisabeth, meine Teure«, schrieb er. »Das ist erst der Anfang. Wir werden von nun an nicht mehr in Ruhe leben können. Lasst eine Kutsche anspannen, nehmt Leute Eures Vertrauens und Eure Schwester mit und kommt zu mir nach Straßburg. Dort seid Ihr auf jeden Fall sicherer als im Schloss zu Baden! Außerdem vermisse ich Euch und Eure Kochkünste. Unsere Schätze zu bewahren sind wir verpflichtet.
Mit der größten Hochachtung
Euer Thomas Weltlin.«
Den letzten Satz verstand Elisabeth so, dass der Kardinal sie bat, die verbotenen Bücher mitzunehmen. Doch wo sollte sie sie verstecken? Sie würde sie in ihr Felleisen legen, ganz zuunterst, darüber ihre Kleider und andere Habseligkeiten. Doch zunächst einmal musste sie Agnes dazu bringen, mit ihr zu gehen, was ihr gewiss nicht schwerfallen würde. Elisabeth fand ihre Schwester in ihrem Zimmer, wo sie dumpf brütend aus dem Fenster schaute. Es regnete.
»Agnes«, begann Elisabeth vorsichtig, »ich habe soeben einen Brief vom Kardinal erhalten. Darin lädt er uns beide ein, umgehend zu ihm nach Straßburg zu kommen.«
Agnes wandte sich langsam zu ihr um. »Nach Straßburg, sagst du?« Ihr Gesicht hellte sich auf. »Das ist eine große Stadt, nicht wahr? Dort werden wir genug zu essen haben, Feste feiern und tanzen!«
Dann verzog sich ihr Mund wieder.
»Aber wie sollen wir dorthin kommen? Es ist doch überall Krieg!«
»Auf dem Weg dorthin ist es nicht ungefährlich«, erklärte Elisabeth ihrer Schwester. »Aber der Kardinal hat mich angewiesen, einige Leute auszusuchen, die uns eskortieren werden.«
»An wen hast du da gedacht?«, fragte Agnes.
»Lass mich nachdenken. Am einfachsten wird es sein, ich frage den Fähnleinführer des Haufens, der hier für das Schloss abgestellt ist.«
»Und wenn er dir keine Männer geben will?«
»Dann zeige ich ihm den Brief des Kardinals.«
»Frag doch einfach den
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