Die Köchin und der Kardinal
unbemerkt aufzustehen und hinauszugehen. Nach Schuldbekenntnis und Gebet folgte der Gottesdienst. Die Messdiener hatten Leuchten in den Händen und stellten sich beiderseits des Lesepults auf. Der Priester sprach von den Wirren und der Mühsal der Zeiten, von der Bedrohung, in der sie lebten, von der Freude und der Auferstehung. Schließlich folgte die Eucharistiefeier. Elisabeth hörte, dass die Tür zum Dom geöffnet wurde, ein Klirren ließ sie zusammenfahren. Sie wandte den Kopf und sah vier Männer im Harnisch hereinkommen. Sie setzten sich in die hinterste Bank. Kardinal Weltlin warf ihr von der Seite einen Blick zu. Auch Agnes schien die Männer gesehen zu haben, denn Elisabeth merkte, dass sie zu zittern begann. Der Priester hieß die Gemeinde, niederzuknien. Er zitierte die Worte des Abendmahls: »Er brach das Brot, teilte es unter seinen Jüngern und sprach: Tut dies zu meinem Gedächtnis. Dies ist mein Leib, den ich für euch hingebe.«
»Vater unser, der du bist im Himmel«, murmelten Priester und Gemeinde.
Das Brot wurde gebrochen, das Agnus Dei gesungen. DieKirchenbesucher verließen nacheinander ihre Bänke. Als Elisabeth an der Reihe war, gab der Priester ihr ein kleines Stück Brot in die Hand, sie legte es auf ihre Zunge.
»Der Leib Christi«, sagte der Priester. Elisabeth schwitzte. Verleugnete sie jetzt ihren Glauben? Doch um sich nicht zu verraten, antwortete sie: »Amen.«
Sie verschluckte sich und musste husten. Das Blut stieg ihr in den Kopf. Nach ihr verließen Agnes und der Kardinal die Bank. Elisabeth hatte ein beklemmendes Gefühl in der Magengrube. Warum erwähnte der Priester nicht, dass ein Kardinal in ihrer Kirche war? Warum ließ sich der Bischof nicht blicken? Er sei in Trier, hatte man ihnen gesagt. Und der Sekretär des Bischofs war trotz Ankündigung gar nicht erst aufgetaucht. Mit versteinertem Gesicht kehrte Agnes vom Altar zurück. Der Kardinal lächelte Elisabeth kaum merklich zu. Ihre Hände und Füße waren eiskalt, sie würde sich noch eine Erkältung holen. Die Kirchenbesucher standen auf. Es folgten ein Dankgebet und der liturgische Segen. Wieder wurden die kleinen Glocken geläutet, von außen ertönten mächtig die Turmglocken. Elisabeth traten die Tränen in die Augen. Auch wenn sie Angst hatte vor dem, was kommen musste, beobachtete sie die anderen Kirchgänger genau. Sie knicksten zum Altar hin. Dem Kardinal war das alles sehr vertraut, er wirkte wie ein Teil dieser Gemeinde, auch merkte Elisabeth ihm keine Gefühlsregung an. Zusammen mit den anderen schoben sie sich zum Ausgang hin, begleitet vom Glockengeläut und dem Brausen der Orgel. Die vier Männer im Harnisch waren aufgestanden und blickten ihnen regungslos entgegen.
11.
Die vier Geharnischten kamen langsam auf sie zu. Elisabeth befand sich dicht neben dem Kardinal, als einer der Soldaten ihm zuraunte: »Ihre Eminenz, der Erzbischof von Speyer und Trier, Philipp von Söter, hat uns den Auftrag gegeben, Eure Eminenz, Kardinal Weltlin, festzunehmen und in sicheren Gewahrsam zu verbringen.«
Er fasste nach dem Arm des Kardinals.
»Was wird mir vorgeworfen?«, fragte der Kardinal in ruhigem Ton.
»Das wird der Bischof Euch schon selber sagen«, zischte einer der anderen.
»Und warum haben wir an der Mitternachtsmesse teilgenommen?«, fragte der Kardinal weiter.
»Vielleicht wollte der Bischof sehen, ob Ihr Euch noch an Eure katholische Herkunft erinnert«, antwortete der Erste mit einem höhnischen Lächeln. Zwei von ihnen nahmen den Kardinal in die Mitte, die anderen beiden packten Elisabeth und Agnes am Arm.
»Habt keine Angst, es wird alles gut«, sagte der Kardinal. Inzwischen hatte die Festnahme der drei doch Aufsehen erregt. Viele Leute waren stehen geblieben und schauten sie teilweise neugierig, zum Teil feindselig an. Beim Austritt aus dem Dom schauerte Elisabeth zusammen. Es hatte aufgehört zu schneien, und es war bitterkalt geworden. Sie wickelte sich fester in ihren Mantel. Der Kardinal wurde zu einer prunkvollen Kutsche gebracht. Vier Pferde mit Federbüscheln auf den Köpfen waren davor gespannt. Die beiden anderen Soldaten dirigierten die Frauen zurück in die Bischofspfalz. Aus den Augenwinkelnsah Elisabeth, wie der Verschlag der Kutsche geschlossen wurde und das Gefährt sich in Bewegung setzte. Die Soldaten trieben die beiden Frauen an.
»Jetzt trödelt nicht so, wir wollen heim in unsere Unterkünfte«, maulte der eine.
Elisabeth war es, als hätte man ihr den Boden unter den
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