Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
Vom Netzwerk:
schweigend. Mit einem Mal hörte Elisabeth das Knirschen eines Schlüssels im Schloss. Sie stieß einen keuchenden Laut aus. Die drei Besucher des Erzbischofs waren in dem Zimmer eingeschlossen worden! Draußen strömte der Regen nieder.
    Der Heilige Abend war, wie so oft schon in diesem Krieg, herangekommen. Die Wolken hingen tief über dem Rhein, und aus ihnen fiel ein leichter, unangenehm kalter Regen. In dem Lager am Oberrhein überwachte Jakob den Marketender, der die Sonderrationen an die Soldaten verteilte. Zur Feier des Tagessollte es Bohnensuppe geben, danach Ferkel am Spieß. Die Frauen des Trosses waren emsig damit beschäftigt, die Ferkel zu schlachten und sie auf Spieße zu ziehen. Überall brannten Feuer, über denen die Tiere nun langsam rösteten. Die Dämmerung sank früh herab, der Regen ging allmählich in Schnee über. Jakob saß an einem der Feuer, aß und trank mit seinen Leuten. In der Ferne konnte er die Lichter der Stadt Speyer sehen. Wieder ein Ort, den sie einzunehmen gedachten. Doch es war noch nicht klar, auf welche Weise sie es tun würden. Jan van Werth trat an das Feuer heran und stieß mit Jakob und den Männern an. »Einen schönen Heiligen Abend wünsche ich allerseits!«, meinte er grinsend. Später winkte er Jakob ein Stück beiseite.
    »Der Schnee ist ein gutes Zeichen«, sagte er. »Wir müssen nur noch ein wenig Geduld haben. Die Stadt bietet sich uns an wie eine Dirne ohne Begleitung. Bernhard von Sachsen-Weimar ist weit im Norden, im Hessischen, unterwegs. Ich spüre die Kälte, die kommen wird, an einer alten Narbe, die ich noch aus den zwanziger Jahren habe. Ist der Rhein einmal zugefroren, können wir die stark bewachte Brücke umgehen und direkt nach Speyer hinüberspazieren.«
    »Sind drinnen keine bewaffneten Haufen?«, fragte Jakob.
    »Doch, Franzosen und Schweden, aber mit denen werden wir leichtes Spiel haben.«
    »Wann glaubst du, ist es so weit, Jan?«
    »Kann ich schwer sagen«, erwiderte der General. »Aber bis dahin werden wir noch einige Streifzüge unternehmen müssen, um unsere Kampfkraft zu erhalten.«
    Das Sechs Uhr Läuten tönte von den Kirchen der Stadt herüber. Der Feldgeistliche des Heeres versammelte die Soldaten unter freiem Himmel. Er segnete sie, predigte über den Frieden, der über alle Völker kommen solle, und nahm ihnen die Beichte ab.
    »Nun lasst uns noch ein Friedenslied singen«, sagte er salbungsvoll gegen Ende des Gottesdienstes.

    »Nun zwingt die Saiten, stimmet an
    und lasst die Musik auf den Plan
    süß klingend singend schallen;
    ruft ›Friede, Friede!‹ allzumal,
    dass Felder, Wälder, Berg und Tal
    den Frieden widerhallen!«
    Diese Lugenbeutel, dachte Jakob grimmig, Wir bringen nicht den Frieden, sondern Tod, Verderben, Hunger, Pest und Verwüstung! Wer weiß, ob sich die Länder je wieder davon erholen würden. Aber da drin, in dieser Stadt, standen Schweden, und er hatte bei allem, was ihm heilig war, geschworen, den Tod seiner Nächsten zu rächen! Seine Gedanken schweiften ab, zum Hof und in die Gegend seiner Kindheit. Am Heiligen Abend hatte meistens Schnee gelegen, und es war so bitterkalt gewesen, dass der Atem einem wie Dampfwölkchen vor der Nase stand. Die Finger waren fast erfroren, wenn man aus der kalten Kirche mit dem Schlitten wieder nach Hause fuhr. Wie tröstlich hatte die Fackel geleuchtet, die neben der Tür in ihrer Halterung flackerte! Heiligabend fiel noch in die Fastenzeit, also hatte es immer Brotsuppe und trockenes Brot gegeben, am ersten Feiertag eine gebratene Gans. Später hatten sie sich gegenseitig Geschenke übergeben: ein neues, rasierscharfes Messer für ihn, eine Puppe für seine Schwester, warme Mützen und Wämser für die Eltern. Und das Gesinde erhielt hölzernes Geschirr und Löffel, die der Vater an den langen Abenden vor Weihnachten geschnitzt hatte. Später saß man noch in der warmen Stube zusammen, schaute auch wohl aus dem Fenster zu den eisigen Sternen hinauf, die dort so unabänderlich hingen wie das Amen in der Kirche. Mutter und Schwester holten ihre Lauten und sangen leise Lieder.
    »Nun esst und trinkt, dass es eine Lust ist!«, forderte der Feldgeistliche die Soldaten auf. »Singt und springt und tanzt und macht Musik!«
    Das ließen die Soldaten sich nicht zweimal sagen. Bald war das Lager erfüllt von wilder Musik, laut gesungenen Liedern, Schreien, obszönen Flüchen und dem Kichern der Dirnen, die an diesem Abend wohl ganz besonders auf ihre Kosten kommen

Weitere Kostenlose Bücher