Die Köchin und der Kardinal
verkrochen und hielt sich mit der Decke beide Ohren zu.
»Gott«, betete sie, »wenn du jemals die Menschen liebgehabt hast, dann lass nicht zu, dass uns etwas geschieht! Lass nicht mehr zu, dass überhaupt irgendjemandem auf der Welt noch etwas geschieht! Ich will auch jeden Tag drei Vaterunser beten und wann immer ich eine Kirche sehe, werde ich hineingehen, um dich zu ehren und zu lobpreisen!«
Der Kampflärm in und um die Stadt schwoll an und ab. Irgendwann musste Elisabeth wieder hinübergedämmert sein, denn als sie erwachte, schlug die Domglocke gerade acht Mal. Der Schlüssel drehte sich im Schloss, die Tür wurde geöffnet. Angstvoll starrte Elisabeth vor sich hin. Wenn sie schon sterben musste, dann sollte es schnell gehen.
»Elisabeth«, hörte sie eine Stimme sagen. Wie im Traum drehte sie den Kopf zur Tür.
Da stand Jakob, im Harnisch, mit Stulpenstiefeln und einem Lächeln auf den Lippen.
Er drehte sich um und verschloss die Tür. »Du wirst sicher auch keine Störung von außen wollen«, sagte er.
Elisabeth erhob sich schnell und eilte auf ihn zu. Er legte seinen Helm ab und nahm sie in die Arme. Wieder und wieder küssten sie sich. Elisabeth konnte es noch nicht richtig glauben.
»Ich wusste, dass du dort drüben in van Werths Heer warst«, sagte sie. »Aber hast du auch gewusst, dass ich hier in der Bischofspfalz gefangen sitze?«
»Nein, das habe ich nicht gewusst«, meinte er und streichelte ihre Hand. »Aber als ich heute Nacht das weiße Laken im Fenster sah, dachte ich mir, das könne nicht mit rechten Dingen zugehen. Keiner in dieser Stadt hätte sich uns freiwillig ergeben. Und da ich gehört hatte, dass sich auch der Kardinal Weltlin hier aufhält, war es dann nicht weit bis zu dem Schluss, dass du als seine Köchin ebenfalls da sein würdest.«
»Der Kardinal ist vom Bischof fortgebracht worden«, sagte Elisabeth.
»Weißt du, wohin?«
»Nein, aber wahrscheinlich nach Trier.«
Jakob zog sie abermals in die Arme und küsste sie. Endlich machte sich Elisabeth frei und fragte: »Wie kommst du denn ausgerechnet in die Bischofspfalz? Und woher hast du die Schlüssel?«
Er lachte. »Ich habe meinem Oberst gesagt, ich würde Unterkünftefür unsere Soldaten ausheben. Da bin ich als Erstes heute Morgen hierhergekommen und habe dem Mönch alle Schlüssel abgenommen. Nein, es war nicht so schlimm, wie du denkst«, meinte er, als er ihre erschreckten Augen sah. »Ich habe van Werth schon ein wenig erzogen. Er hatte seinen Männern zwar die Erlaubnis gegeben zu plündern, nicht aber, zu morden und zu brennen. Er hat ihnen strenge Strafen für diesen Fall angedroht.«
Elisabeth war erleichtert. Offenbar waren auch Feldherren in der Lage, etwas zu lernen.
»Drüben im anderen Zimmer ist Agnes«, sagte sie schnell. »Wir müssen sie befreien.«
»Ich muss euch beide von hier wegbringen«, meinte Jakob. »Denn was den Umgang mit Frauen betrifft, hat van Werth keine Weisung an seine Männer gegeben.«
Jakob schloss die Tür auf, Elisabeth holte den Rucksack aus der Truhe, und Jakob schulterte ihren Reisesack. Sie rannten hinüber zu Agnes’ Zimmer. Sie hatte wohl schon mitbekommen, dass sich etwas tat, denn sie stand mit Sack und Pack bereit zur Flucht.
»Ich bringe euch zur Herberge der Pilger«, raunte Jakob ihnen zu. Sie liefen die Wendeltreppe hinunter und passierten das Tor. Es hatte wieder zu schneien begonnen. Die Stadt war voll von kaiserlichen Soldaten. Die meisten Gesichter waren vom nächtlichen Trunk gerötet, aber Elisabeth sah keine Leichen in den Straßen liegen.
In einer Gasse auf der anderen Seite des Doms stand die Herberge der Pilger. In dieser Zeit logierten keine Pilger dort, sondern Reisende und Klerikale, die in irgendeiner Mission in der Stadt unterwegs waren. Elisabeth wollte nicht, dass Agnes etwas von ihrer Beziehung zu Jakob erfuhr.
»Ich wohne mit van Werth in der Bischofspfalz«, sagte Jakob. »Ihr könnt euch jederzeit an mich wenden.«
Er gab ihnen zum Abschied die Hand. Der Pilgerwirt führtesie und Agnes über eine Stiege zu einer Kammer mit zwei Betten. An den Fenstern hingen karierte Vorhänge.
Agnes stellte ihr Gepäck ab und ließ sich auf eines der Betten fallen.
»Das war doch der Soldat, der uns in Calw vor seinen Soldatenhorden gerettet hat«, sagte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. »Welch ein Zufall, dass er schon wieder auftaucht und uns beschützt!«
»Wir sollten Gott danken, dass es solche Menschen gibt«, versetzte Elisabeth. »Vor
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