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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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und ein Sommer. Eines Morgens im September 1636 musste Elisabeth feststellen, dass ihre Schwester Agnes verschwunden war.

14.
    Elisabeth fragte in jedem Bauernhaus, in jedem Flecken rund um das Kloster herum, befragte eingehend Melvine und Paul vom »Roten Ochsen«. Aber niemand hatte Agnes gesehen. Vielleicht war sie bei Nacht und Nebel einfach geflohen. Agnes hatte ja oft angedeutet oder offen ausgesprochen, dass sie nicht auf Dauer im Kloster leben, dass sie im Gegenteil in der Stadt wohnen wollte, womöglich als die Geliebte eines einflussreichen Mannes. Sollte Elisabeth sie einfach ziehen lassen? Agnes war nahezu erwachsen und konnte selbst entscheiden, wie sie ihr weiteres Leben verbringen wollte. Elisabeth wurde es schwarz vor Augen, wenn sie sich vorstellte, was ihrer Schwester alles geschehen konnte. Möglicherweise war sie aber auch verwirrt und irrte nun allein, hungrig und weinend, durch irgendeinen dunklen Wald. Wilde Tiere würden sie bedrohen. Mutter Regiswind suchte mit Elisabeth die Gegend ab, wann immer sie sich freimachen konnte. Doch es verging Tag um Tag, ohne dass ein Lebenszeichen von Agnes gekommen wäre. Etwa drei Wochen später bat Mutter Regiswind den Kardinal und Elisabeth in ihr Arbeitszimmer. Ihre Wangen waren rot vor Aufregung.
    »Ich habe ein Schreiben aus Rom erhalten.« Mutter Regiswind musterte die beiden mit einem Ausdruck in den Augen, den Elisabeth nicht zu deuten wusste. Die Äbtissin gab den Brief an den Kardinal, der ihn mit gerunzelter Stirn vortrug.
    »Hochwürdige Frau Äbtissin, Euer Gast Agnes Weber ist wohlauf«, stand darin. »Doch wir haben sie nicht ohne Not in unsere Obhut genommen. Es gibt Hinweise darauf, dass sich in Eurem Kloster ketzerische Bücher befinden. Wenn Ihr diesefreiwillig an die heilige Inquisition ausliefert, lassen wir Agnes Weber frei.
    Gez. Frederico Berni, Staatssekretär der heiligen Inquisition Seiner Heiligkeit Papst Urban VIII.«
    »Was hat das zu bedeuten, Herr Kardinal Weltlin?«, fragte Mutter Regiswind mit scharfer Stimme. »Und was hat Agnes Weber damit zu tun?«
    Dem Kardinal war keine Regung anzumerken. Elisabeth hoffte, Mutter Regiswind würde das Klopfen ihres Herzens nicht hören und das Zittern ihrer Hände nicht bemerken.
    »Wie Ihr wisst, ehrwürdige Mutter Regiswind, betreibe ich mit meinem Teleskop Sternenforschung, bin auch in der Astronomie ein wenig bewandert. Zu diesem Zwecke hatte ich einen regen Austausch mit Johannes Kepler, später dann auch mit Galileo Galilei. Die Bücher, auf welche sich dieser Vorwurf stützt, sind wissenschaftliche oder philosophische Werke von Galilei und anderen.«
    Die Lutherbibel hat er verschwiegen, dachte Elisabeth. Die Züge von Mutter Regiswind wurden weicher.
    »Das ist ja nicht weiter schlimm«, meinte sie. »Dann könnt Ihr sie ja einfach nach Rom schicken, Agnes wird wieder freigelassen, und Ihr könnt Eure Studien weiter betreiben.«
    »Ganz so einfach ist es nicht«, meinte der Kardinal seufzend. »Diese Bücher stehen auf dem Index Librorum Prohibitorum. Meine Stellung als Kardinal ist in höchstem Maße gefährdet, wenn nicht gar Papst Urban VIII. mich exkommuniziert.«
    »Schickt die Bücher heute noch mit einem Boten nach Rom«, empfahl Mutter Regiswind. »Wir werden hier im Kloster Stillschweigen darüber bewahren. Allerdings könnt Ihr und auch Elisabeth nicht bei uns bleiben, das ist zu gefährlich.«
    »Was ratet Ihr uns, ehrwürdige Mutter?«, fragte der Kardinal.
    »Wir warten, bis Agnes wieder da ist. Dann fahre ich mit Euch zum französischen König, um Euch unter seinen persönlichen Schutz stellen zu lassen.«
    »Das würdet Ihr wirklich für uns tun?«, fragte der Kardinal. »Ich wusste zwar immer, dass Ihr eine gute Katholikin seid, aber nicht, was für einen guten Menschen wir hier vor uns haben!«
    »Na ja.« Die Äbtissin zwinkerte ihn schalkhaft an. »Es ist auch immer zu unserem eigenen Nutzen. Ich muss Schaden vom Kloster abwenden, seinen guten Ruf erhalten, und schließlich habt Ihr beide uns auch viele Vorteile gebracht.«
    Damit war die Zusammenkunft beendet, die nächste Andacht musste vorbereitet werden. Der Kardinal schickte einen Boten mit den Büchern nach Rom. Das Warten wurde Elisabeth lang. Sie lagerte die Früchte des Gartens im Keller ein, schnitt frische Kräuter, beschnitt die Himbeerbüsche, pflanzte Knoblauch und Zwiebeln und kochte Apfel- und Birnenmus. Endlich, an einem milden Tag Anfang Oktober, war es so weit. Es kam eine Antwort aus Rom,

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