Die Köchin und der Kardinal
du vorhast.«
»Versprich mir, dass du nie wieder wegläufst!«, bat Elisabeth sie. »Du wolltest dich wichtigmachen, nicht wahr?« So gänzlich ungeschoren wollte sie ihre Schwester nicht davonkommen lassen.
»Ich wollte, dass ihr euch Sorgen um mich macht«, gab Agnes zu. Sie biss sich auf die Lippen, konnte jedoch einen Anflug von Freude in ihren Augen nicht unterdrücken.
»Jetzt geht an Eure Arbeit«, sagte Mutter Regiswind, »sagt zu niemandem ein Sterbenswörtchen und packt Eure Sachen. Morgen früh geht es los nach Paris.«
»Nach Paris?« Agnes staunte. Elisabeth wusste, wie sehr sie sich darüber freuen musste.
»Wissen die anderen Nonnen Bescheid?«, fragte der Kardinal.
»Ich habe ihnen gesagt, dass wir auf eine Wallfahrt gehen«, gab Mutter Regiswind zur Antwort.
Sie gab einer der Nonnen Order, in die Stadt zu gehen und die Reiter des Kardinals aus ihren Quartieren zu holen. Elisabeth packte wieder einmal ihre Reisetasche. Der Rucksack war merklich leichter geworden, jetzt befand sich, neben ihren Utensilien, nur noch die Lutherbibel an seinem Grunde, die beiden Kochbücher obenauf. Die Kutsche des Kardinals wurde geputzt, am Morgen die vier Pferde, die sich im klostereigenen Stall und auf der Weide glänzend entwickelt hatten, davorgespannt. Die Reise würde sechs Tage dauern und durch Lothringen und die Champagne nach Versailles bei Paris führen. Auch dorthin hatte Mutter Regiswind einen Boten vorausgeschickt. Die Nonnen standen alle vor dem Kloster und winkten, als die Kutsche sich in Bewegung setzte. Einige weinten, als fürchteten sie, ihre Äbtissin, den Kardinal und die beiden jungen Frauen, die sie in den vergangenen Monaten liebgewonnen hatten, nie mehr wiederzusehen. Auch Elisabeth hatte feuchte Augen, als das Kloster mit seiner Kirche, seinen Gebäuden, dem Garten und den Weiden sich immer weiter entfernte. Sie durchquerten die Rheinebene, die wohl am meisten von allen Landstrichen verwüstet war. Hier tobte der Kampf zwischen Schweden, Franzosen und Kaiserlichen, mal nahm die eine Seite eine Stadt oder eine Burg ein, mal die andere. Johann vonWerth hatte genauso gewütet wie Bernhard von Sachsen-Weimar. Mit ihren Geldmitteln gelang es der kleinen Schar immer wieder, eine Unterkunft oder etwas zum Essen zu bekommen. Sie überquerten das Tal der Marne mit seinen Uferweiden, den Weinbergen, den Maulbeerbäumen und Kastanien. Hier wie auch in der Champagne wurden die Trauben eingebracht. Je näher sie der Hauptstadt Paris kamen, desto öfter sahen sie Kinder, die ihnen zuriefen:
»Jean de Werth era ici!
Qui fit pleurer le Roy de France
a fait trembler le cardinal.
Petits enfants, qui pleurera?
Johann von Werth war hier!
Der den König von Frankreich weinen ließ,
der den Kardinal zittern ließ.
Wer wird denn weinen, Kinder?«
In der Abgeschiedenheit des Klosters hatten sie nicht mehr auf die Weltläuft geachtet. Von einem Herbergsvater erfuhren sie, wie Jan van Werth in diesen Landstrichen gehaust hatte. Viele Städte hatten den wüsten Reitern ihre Schlüssel übergeben, um von Brandschatzung verschont zu werden. Schließlich zog sich van Werth vor der Übermacht der Franzosen zurück, versäumte es jedoch nicht, den Feinden Schaden zuzufügen, wo er nur konnte. Auf Elisabeths Frage, wo sie sich befanden, hieß es: zwischen Doulon und Corbie. Das war weiter nördlich, nahe Amiens, wie sich Elisabeth erklären ließ. Sie würde keine Gelegenheit haben, Jakob zu sehen, aber sie war ihm doch schon wieder ein ganzes Stück näher gerückt. Am Nachmittag des sechsten Tages fuhren sie nach Versailles hinein. Das kleine Bauerndorf mit seinen niedrigen Häusern wurde überragt vom königlichen Schloss. Mitten im Wald lag dieses Jagdschloss Ludwig XIII., das er in den letzten Jahren hatte ausbauen lassen,da das alte Schloss nicht mehr repräsentativ war. Die untergehende Sonne zauberte kleine Regenbogen in die Kaskaden des Springbrunnens, der vor der Auffahrt zum Marmorhof stand. Normalerweise residierte Ludwig XIII. im Louvre, einem Stadtpalast an der Seine in Paris, aber da Oktober und Jagdzeit war, hatte er sich hierher zurückgezogen. Sein Minister und erster Berater in Staatsangelegenheiten, Kardinal Richelieu, wohnte im Palais Royal in der Mitte der Stadt Paris. Er würde anwesend sein. Ein Diener nahm die Gäste in Empfang, Knechte schirrten ihre Pferde aus und führten sie in den Stall. Innen war das Schloss einfach, aber nichtsdestoweniger kostbar eingerichtet. Die Säle waren
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