Die Köchin und der Kardinal
mit Hirschgeweihen und Bildern mit Jagdszenen geschmückt. Agnes und Elisabeth wurde ein großer Raum mit zwei Himmelbetten zugewiesen. Wie im markgräflichen Schloss in Baden gab es auch hier seidene Tapeten und Spiegel mit goldenen Rahmen. Während die beiden sich ausruhten, brachte eine Plätterin ihre Festtagsgewänder in Ordnung. Elisabeth trug ein Kleid aus blauer Seide. Es hatte einen gestärkten Spitzenkragen, der sich über ihre Schultern ausbreitete und sie rund und weiblich wirken ließ. Das Kleid war ausgeschnitten, aber ein zweiter Kragen bedeckte das tiefe Dekolleté. In ihr Haar hatte sie Perlenschnüre geflochten. Die Ärmel fielen elegant, von einem Seidenband umschlungen, welche sie gleichsam in zwei Ballons unterteilte. Agnes trug ein ähnlich geschnittenes Kleid aus grünem Taft. Bei ihr betonte ein Seidenband mit Rosette die hochsitzende Taille. Beide hatten sich Perlenketten um den Hals gelegt. Ihre Schuhe waren aus Stoff und Leder mit kleinen Absätzen. So erschienen sie gegen sieben Uhr im Speisesaal, der mit einem mächtigen, goldgefassten Kamin ausgestattet war. Ein wärmendes Feuer brannte darin. Zusammen mit den Höflingen, den Bediensteten und etlichen Damen, die Mätressen des Königs oder der Höflinge hätten sein können, standen Elisabeth, der Kardinal, Agnes und Mutter Regiswind Spalier. Zwischen all den papageienbuntenMenschen mit ihren gepuderten Locken und den riesigen Hüten wirkte die Äbtissin wie ein Engel in weißem Gewand. Die Türen des Saales wurden geöffnet. Der Oberhofmarschall kündigte das Erscheinen des Königspaares an.
»Et voilà, Ihre Majestäten, der König und die Königin«, rief der Oberhofmarschall und klopfte mit seinem goldenen Stab dreimal auf den Boden. Ludwig XIII. war ein hochgewachsener, schöner Mann mit dunklen, gescheitelten Haaren, die ihm auf die Schultern fielen. Er war mit einem schwarzen Samtrock mit Spitzenkragen bekleidet. An den Füßen trug er Stiefel aus weichem, hellem Leder. Anna von Österreich, eine Frau Mitte dreißig, hatte sich bei ihm eingehängt. Ihr rundes Gesicht war gepudert, und das Rouge auf den Wangen verlieh ihr die Frische eines jungen Mädchens. Das tief dekolletierte Kleid aus Brokat war mit duftigen Spitzen geschmückt. Sie trug doppelreihige Perlenschnüre um den Leib, der durch die vielen Röcke füllig wirkte. Wie Elisabeth aber von Mutter Regiswind wusste, hatte die Königin in zweiundzwanzig Ehejahren kein Kind zur Welt gebracht. Auf ihren Zügen lag ein etwas mürrischer Ausdruck, den sie auch mit ihrem Lächeln nicht ganz überspielen konnte.
»Et voilà, Seine Eminenz, Kardinal Richelieu«, rief der Oberhofmarschall und klopfte dreimal auf den Boden. Der Kardinal war etwa fünfzig Jahre alt. Er hatte ein Mausgesicht, wie Elisabeth fand. Auch die kleinen, schwarzen Augen blickten wieselflink in die Welt. Er war in ein weißes, seidenes Gewand mit schwarzem Umhang gekleidet. Das schüttere graue Haar quoll unter seinem Kardinalshut hervor. Nachdem Kardinal Weltlin, Mutter Regiswind, Elisabeth und Agnes als Gäste aus deutschen Landen begrüßt worden waren, nahmen alle an der langen, weiß gedeckten Tafel Platz. In silbernen Haltern brannten ruhig die Kerzen. Festlich gekleidete Dienerinnen trugen die Vorspeisen herein: Safransuppe, in Wein eingelegte Artischocken und gebratene Tauben.
»D… der Safran kommt a… aus Italien«, versuchte der König die Konversation zu eröffnen. »W… wir beziehen ihn bes…sonders günstig.« Sein Gesicht überzog sich mit einer feinen Röte. Die Höflinge blickten sich bedeutungsvoll an, einige verzogen hinter vorgehaltener Hand ihren Mund zu einem Grinsen.
»Mein Gatte hat ganz recht«, sprang ihm seine Gemahlin, Königin Anna, zur Seite. »Die Artischocken legen wir im Spätsommer ein, wenn sie reif geworden sind. Sie halten bis zum nächsten Frühjahr. Die Tauben hat Ludwig selber geschossen.«
»Sieben Hirsche hat er erlegt«, setzte der Oberhofmarschall das Gespräch fort, »zwei Keiler, sechs Rehe und jede Menge Enten und Fasane.«
Die Tischgesellschaft klatschte höflich. Die Höflinge riefen: »Ah, das ist magnifique , hoch lebe unser König!«
Das schien Ludwig XIII. Mut zu machen, denn er berichtete über kleine Jagdereignisse und erzählte Anekdoten, ohne ins Stottern zu geraten. Die Tischgesellschaft lachte und applaudierte jedes Mal, wenn er eine kleine Pause einlegte. Später wurden Hirschragout und Wildenten mit Orangen aufgetragen. Zum Nachtisch gab es
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