Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
und …«
»Und was? Glaubst du, Winmar weiht jeden seiner Schranzen in seine Pläne ein? Diese Zwerge dort draußen sind seine Sklaven, Catriona, so wie wir alle. Wenn wir herausfinden wollen, was er tatsächlich plant, muss ich mich an Bord stehlen und mich mit ihm auf die Reise begeben, wohin auch immer sie führt.«
»Dann begleite ich dich«, entschied die junge Frau.
»Nein«, wehrte Alured ab. »Du musst zurückkehren und deinem Vater berichten, was hier geschehen ist. Wenn ich entdeckt werde und nicht zurückkehre, so muss er dennoch von diesen Dingen erfahren.«
»Aber …«
»Ich sage das nicht, weil du eine Frau bist, Catriona, oder weil ich es dir nicht zutraute. Der Weg zurück zum Roten Turm ist weit und voller Gefahren, und du wirst all dein kriegerisches Geschick benötigen, um zu überleben. Ich wünschte, ich könnte dich begleiten. Aber unsere Wege trennen sich hier. Für den Clan – und für Ansun.«
Sie blickte zu ihm auf, und zum ersten Mal konnte er etwas wie Unsicherheit in ihren dunklen, sonst so entschlossen blickenden Augen erkennen. »Ich war noch nie allein dort draußen«, flüsterte sie.
»Für jeden Krieger kommt der Tag, da er sich bewähren muss«, entgegnete Alured leise. »Und du bist eine Kriegerin, Catriona, das hast du mehrfach bewiesen. Du hast keinen Grund, an dir zu zweifeln, ebenso wenig wie ich.«
Die Unsicherheit wich, ein Lächeln huschte gar über ihre Züge. »Ich danke dir.«
»Da gibt es nichts zu danken«, erwiderte er. »Kehre auf dem selben Weg zurück, auf dem wir gekommen sind, und dann geh nach Norden. Sollte ich nicht zurückkehren, so richte Dag aus, dass …« Er zögerte einen Moment. »Dass ich jetzt bei meiner Familie bin und er meinetwegen nicht trauern soll.«
»Das werde ich«, erwiderte sie. Das Lächeln war aus ihrem Gesicht verschwunden. »Viel Glück, Alured.«
»Das wünsche ich dir auch«, erwiderte er. Dann schickte er sich an, das Gitter beiseitezuschieben, um aus dem Schacht zu klettern.
»Einen Moment noch«, bat sie.
»Ja?«
»In jener Nacht im Wald … Ich weiß nicht, was in mich gefahren war, warum ich dieses Bad genommen habe … Vielleicht hatte ich das Versteckspiel satt … vielleicht wollte ein Teil von mir, dass du … ich meine …«
Er sah sie an, und ihre Blicke begegneten einander für einen Augenblick, in dem es ringsum keine Bedrohung und keinen Feind zu geben schien. Alured beugte sich zu ihr hinab und küsste sie auf den Mund – und es war nicht die Sorte Kuss, mit der sich gute Freunde voneinander zu verabschieden pflegen.
Ihre Gesichter schwebten voreinander und sahen einander an, und dann begegneten sich ihre Lippen noch einmal, länger und inniger diesmal, ehe die Süße des Augenblicks wieder der bitteren Wirklichkeit wich.
»Leb wohl«, flüsterte Alured.
»Leb wohl«, erwiderte sie. Tränen lösten sich aus ihren Augen und hinterließen gezackte Spuren in ihrem Gesicht.
Alured war klar, dass ihm der Abschied mit jedem Augenblick, den er länger blieb, schwerer fallen würde, also biss er die Zähne zusammen und gab sich einen Ruck. Er stieß das Gitter nach oben und schob es so weit zur Seite, dass die Öffnung groß genug für ihn war. Dann wartete er, bis sich der Wagen über ihm in Bewegung setzte, und griff beherzt zu.
Indem er sich an die hintere Achse klammerte, ließ er sich von dem Wagen aus dem Schacht ziehen. Kaum war er draußen, zog er sich so empor, dass er wie ein Insekt an der Unterseite des Gefährts klebte und zusammen mit ihm in Richtung des nächsten Schiffes rumpelte.
Das Letzte, was er von Catriona sah, waren ihre Hände, die das Gitter wieder in die Vertiefung zogen.
Von nun an waren sie beide wieder allein.
23
D ie Engwacht war ein trutziges Bauwerk.
Am südlichsten Punkt von Olfar gelegen, von wo man bei klarer Sicht bis zum Festland sehen konnte, geschützt von den steilen Klippen, die die Insel umliefen, war die Burg in den alten Tagen errichtet worden, um den Angriffen von Piraten zu trotzen. Hoch über den Klippen thronend, gegen die der Ostwind schäumende Wogen warf, war die Burg über Jahrhunderte hinweg ein Symbol der Macht und Größe Tirgaslans gewesen. Der steinerne Mauerring, der die Festung umgab und nach Süden hin nahtlos in den lotrecht abfallenden Fels der Klippen überging, war noch immer erhalten, ebenso wie die Türme, die sich innerhalb der Ummauerung erhoben. Doch der Wind und das Salz hatten dem schwarzgrauen Gestein arg zugesetzt,
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