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Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Titel: Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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sodass es sich in ähnlich schäbigem Zustand befand wie das Reich selbst. Dass sich unterhalb der Feste ein von steilen Klippen geschützter Hafen befand, der ungleich besser erhalten war und Schiffen eine sichere Bleibe bot, hätte man dabei leicht übersehen können. Doch genau in diesem Hafen lagen jene Schiffe zum Auslaufen bereit, die dem Lauf der Geschichte Erdwelts eine neue Wendung geben sollten.
    Auf dem höchsten Turm der Engwacht stehend, die Kapuze seines Mantels hochgeschlagen, um sich vor dem pfeifenden Ostwind zu schützen, stand Vigor und blickte hinaus auf die weite, schiefergraue Fläche der See, über der weißer Morgennebel lag.
    So friedlich und still, wie die Ostsee sich zeigte, war es schwer vorstellbar, dass sie der Schauplatz sein sollte, an dem sich alles entschied. Doch ehe sich dieser Tag dem Ende neigte, würde sie eine der bedeutungsvollsten Schlachten in der Geschichte Erdwelts gesehen haben – und wenn die Sonne unterging, würde Winmar von Ruuns Kopf auf einem Speer stecken und er, Vigor, würde die Zwergenkrone auf seiner Stirn tragen.
    Vigor schloss die Augen, berauschte sich für einen Moment an der Vorstellung, König zu sein, so wie er es immer tat, wenn ihn Zweifel oder gar Skrupel zu überkommen drohten.
    Gewiss, er hatte sein Leben in den Dienst des Zwergenreichs gestellt und seinem Herrscher Treue geschworen. Aber er war es nicht gewesen, der mit den Traditionen gebrochen und das Volk verraten hatte. Was er tat, tat er nur, um die Ehre der Zwerge wiederherzustellen. Vigor bezweifelte, dass seine Herrschaft milder als jene Winmars sein würde – regieren, so lautete seine Überzeugung, konnte nur, wer gefürchtet wurde. Aber anders als Winmar würde er die Traditionen nicht mit Füßen treten, würde er seinen Herrschersitz nicht in ein fernes Land verlegen, nur weil es seiner Eitelkeit schmeichelte. Und was die Alchemisten betraf, so würde er sie alle verhaften und in den Kerker werfen lassen, und es würde ihm ein Vergnügen sein, Ansgar und seinen verschlagenen Gesellen jedes einzelne ihrer Geheimnisse in der Folterkammer abzupressen …
    »Nun?«
    Lavan, der ebenfalls auf den Turm gestiegen war, trat zu ihm. Vor wenigen Tagen erst hatten sie Tirgaslan in Begleitung einer kleinen Streitmacht verlassen und waren nach Olfar übergesetzt. Noch bis zum Vortag hatte das Axtsymbol des Zwergenkönigs über dem höchsten Turm der Engwacht geprangt – nun bauschte sich das Königsbanner von Tirgaslan dort im Wind, gleich neben einem hölzernen Spieß, auf dem der Kopf des Burgherren steckte. Lavan selbst hatte ihn seinerzeit mit der Engwacht als Lehen bedacht, doch wie alle Ritter des Reiches hatte auch er seinen Schwur nicht auf die Krone von Tirgaslan, sondern auf die Person König Winmars geleistet. Folgerichtig hatte der Burgherr Lavan den Zugang zum Hafen verwehren wollen – und Lavan hatte ihn kurzerhand seines Amtes enthoben.
    »Nun was?«, fragte Vigor dagegen.
    »Seid Ihr nervös?«
    »Gespannt«, verbesserte der Zwerg und strich sich über den roten Bart. »Tage, die den Beginn eines alten und den Anfang eines neuen Zeitalters markieren, kommen nicht oft vor in der Geschichte. Wir sollten uns glücklich schätzen, sie mitzuerleben.«
    »Wenn Ihr es so halten wollt.« Aus dem Augenwinkel nahm Vigor Lavans tadelnden Seitenblick wahr, aber er reagierte nicht darauf. »Ich werde mich erst dann glücklich schätzen, wenn dieser Tag vorüber ist und Winmar und seine Flotte auf dem Grund der See liegen.«
    »Keine Sorge«, versicherte Vigor und blickte zu seinem ungleichen Verbündeten auf. Ein wenig befremdet stellte er fest, dass Lavan eine aufwendig gearbeitete Plattenrüstung trug, deren prunkvoller Harnisch im fahlen Licht schimmerte. Den dazugehörigen, nicht weniger aufwendigen Visierhelm trug er unter dem Arm. Der Anblick hatte etwas Lächerliches. Nicht nur, weil sich die Eitelkeit des feisten Königs von Tirgaslan auch auf sein Rüstzeug zu beziehen schien, sondern auch, weil Harnisch und Helm wie eine Verkleidung an ihm wirkten.
    »Was habt Ihr?«, fragte Lavan, der das Befremden in Vigors Zügen richtig zu deuten schien. »Habt Ihr noch nie einen König gesehen, der in die Schlacht zieht?«
    »Schon manche«, versicherte Vigor. »Aber noch keinen, der dabei so großartig aussah.«
    Wenn Lavan die Ironie erfasste, so ließ er es sich nicht anmerken. Ein verlegenes Lächeln wischte über seine bleichen Züge, dann nickte er entschlossen. »Es sei also«,

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