Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
geworden sein, dass er sich nicht weiter um eine Entscheidung drücken konnte und etwas unternehmen musste. Deshalb hatte er erneut nach Vigor schicken lassen, nachdem er ihn zunächst hinausgeworfen hatte – und der Zwerg hatte vor, diese neue Chance nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.
»Hört mir gut zu«, begann er und senkte verschwörerisch seine Stimme – Menschen pflegten um vieles aufmerksamer zuzuhören, wenn sie das Gefühl hatten, in ein Geheimnis eingeweiht zu werden. »Die Alchemistenbrut, mit der Winmar sich neuerdings umgibt, hat ihm zugeraten, Gorta Ruun zu verlassen.«
»Es zu verlassen«, echote Lavan. Die kleinen Augen weiteten sich erstaunt.
»Sie haben ihm weisgemacht, dass ein Großreich eines neuen Herrschersitzes bedarf, der weiter im Süden liegt und damit näher am Zentrum seines Machtgebiets. In Wahrheit verfolgen sie fraglos eigennützige Ziele, auch wenn ich nicht genau weiß, was sie im Schilde führen. Winmar jedoch ist zu sehr im Größenwahn gefangen, um dies zu begreifen. Er mag die Alchemisten nicht besonders, aber er denkt, dass sie für ihn von Vorteil sind, deshalb hat er sich von ihnen überreden lassen.«
»Und wohin will er seinen Herrschersitz verlegen?«
»Nach Tirgas Anar, das zu seinen Ehren in Tirgas Winmar umbenannt wurde.« Vigor verzog angewidert das Gesicht. »In einer Stadt zu regieren, die seinen Namen trägt, schmeichelt seiner Eitelkeit – ungeachtet der Tatsache, dass er mit den Traditionen unseres Volkes bricht und das Andenken der großen Zwergenkönige beleidigt.«
»Sieh an«, sagte Lavan nur. »Für einen Mann, der Wert auf Traditionen legt, hätte ich Euch nicht gehalten.«
»Ihr wisst vieles nicht über mich.«
»Damit mögt Ihr recht haben. Aber ich sehe nicht, wie Winmars Entschluss, seinen Thronsitz zu wechseln, mit Euren Plänen zu tun haben sollte.«
»Der Umzug nach Tirgas Winmar wurde in den vergangenen Monaten bereits vorbereitet, ohne mein Wissen und wohl auch ohne das des Königs. Meine Mission hier in Tirgaslan hatte nur zum Ziel, mich am Hof aus dem Weg zu räumen, damit Ansgar und seine Magierbrut vollendete Tatsachen schaffen können – was bedeutet, dass der Umzug in diesen Tagen stattfinden wird. Der Haupttross mit Winmar selbst hat Gorta Ruun womöglich bereits verlassen – und ich brauche Euch nicht zu sagen, was das bedeutet.«
»Nun, fraglos wird es ein Tross mit vielen Hundert Wagen und Tieren sein«, überlegte Lavan, »und vermutlich wird er von Hunderten Kriegern und Dutzenden Kaldronen begleitet.«
»Anzunehmen«, stimmte Vigor zu, »zumal Winmar den größten Teil des Kronschatzes mitführen wird, den er als sein persönliches Eigentum betrachtet. Dennoch wird es aber kein Heereszug sein, der gen Südosten marschiert – und das macht Winmar angreifbar.«
Lavan schüttelte den Kopf, seine fliehende Stirn lag in Sorgenfalten. »Selbst wenn es kein Heereszug ist – in Ansun habe ich gesehen, wozu Kaldronen fähig sind. Und vergesst Winmars Zorn nicht, jene furchtbare Waffe, die in Andaril so schreckliche Zerstörung angerichtet hat. Wenn er diese Waffe bei sich führt, bedarf Winmar keines Heeres, um sich seiner Haut zu erwehren. Sie ganz allein würde ausreichen, um das, was von der Streitmacht der Menschen geblieben ist, binnen eines Lidschlags zu zerfetzen.«
Vigor verkniff sich ein Grinsen. Lavan hatte den Köder geschluckt. Die Kunst des Manipulierens bestand nicht darin, anderen seinen Willen aufzuzwingen – sondern sie glauben zu machen, es wären ihre eigenen Ziele, die sie verfolgten …
»Dann«, sagte er langsam, »sollten wir so handeln, dass Winmar seine Waffe nicht zum Einsatz bringen kann.«
Lavan lachte auf. »Ihr redet Unsinn! Wie wollt Ihr das bewerkstelligen?«
»Durch eine kluge Taktik.« Vigor zwirbelte genüsslich den roten Bart. »Da Winmar die Staatskasse mitführt, wird er nicht erpicht darauf sein, lange unterwegs zu sein, zumal der Landweg nach Anar viele Risiken birgt. Nicht nur, dass er durch die Hügellande führt, wo Menschen noch immer Widerstand leisten, sondern auch durch unwegsame Sümpfe und dampfenden Dschungel, in dem kriegerisches Weibsvolk sein Unwesen treibt.«
»Amazonen.« Lavan nickte. »Ich kenne die Geschichten.«
»Das sind mehr als Geschichten. Der Nordosten des Reiches ist wild und unzivilisiert und noch weit davon entfernt, befriedet zu sein – also bleibt Winmar nichts anderes übrig, als den kürzeren und sichereren Weg zu wählen, der über
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