Die Koenigin der Rebellen
Abschiedsreden zu halten. Wir wollen überleben.« »Das werdet ihr nicht«, sagte Lydia. »Reizend«, murrte Charity. »Solche Aufmunterungen können wir wirklich gebrauchen. Hast du noch mehr solcher . . .« Sie verstummte mitten im Wort, als sie Lydia ansah. Die junge Frau hatte das Zeremoniengewand abgelegt, wie sie auch, und sie hielt wie Charity und Net in jeder Hand einen der kleinen, silbernen Laserstrahler. Aber es gab einen eklatanten Unterschied: Die Mündung der einen Waffe deutete direkt auf Skudder. Die der anderen auf Charity. »Was ... was soll das?« fragte Charity überrascht. »Bist du verrückt geworden?« »Nein«, antwortete Lydia. Ihr Gesicht war hart, und ihre Stimme bebte. »Legt die Waffen weg.« »Du bist wohl übergeschnappt!« schrie Kent. »Das ist doch . . .« Lydia schoß auf ihn. Es ging so schnell, daß keiner der anderen auch nur Gelegenheit fand, einen Schreckensschrei auszustoßen. Die Waffe in Lydias Hand bewegte sich eine Winzigkeit nach rechts, spie einen kurzen, nadeldünnen Lichtblitz aus und richtete sich sofort wieder auf Skudder. Kent taumelte zurück, prallte gegen die Wand und brach zusammen. »Glaubt noch jemand, daß ich es nicht ernst meine?« fragte Lydia kalt. Niemand antwortete. Charity sah aus den Augenwinkeln, wie sich Skudder spannte, aber zu ihrer Erleichterung schien er auch im gleichen Moment einzusehen, daß ein Angriff der reine Selbstmord gewesen wäre. »Tut, was sie sagt«, sagte Charity ruhig. Langsam senkte sie ihre Waffe, ging in die Hocke und legte den Laser vor sich auf den Boden, mit bedächtigen, übertrieben umständlichen Bewegungen, um Lydia nicht zu einer Unbesonnenheit zu provozieren. Nacheinander legten auch die anderen ihre Waffen fort. »Gut«, sagte Lydia. »Und jetzt stellt euch an die Wand. Nebeneinander und mit erhobenen Armen.« »Du gehörst also auch zu ihnen«, sagte Charity bitter. »Mein Kompliment, Lydia. Nicht einmal ich habe dich durchschaut. Habt ihr eine neue Art der Tarnung entwickelt?« »Ich bin keines dieser ... Tiere!« antwortete Lydia erregt. Das letzte Wort schrie sie fast. Charity war nicht einmal überrascht. Sie hätte gespürt, wenn Lydia kein Mensch gewesen wäre, ganz gleich, wie perfekt ihre Tarnung auch sein mochte. »Warum tust du es dann?« fragte sie. »Das geht dich nichts an«, antwortete Lydia. »Und es spielt auch keine Rolle mehr.« »Für mich schon«, sagte Charity. »Was haben sie dir geboten? Unsterblichkeit? Macht?« In Lydias Gesicht arbeitete es. Für einen Moment zerbrach die Maske aus Stein und Charity sah sie so, wie sie in Wahrheit war: nichts als eine hilflose junge Frau, die vor Angst fast den Verstand verloren hatte. Ganz langsam senkte sie die Arme. Die Waffe in Lydias Hand ruckte hoch. »Mach keine Dummheiten«, sagte sie. »Ich soll euch lebend bringen, aber tot seid ihr Daniel bestimmt immer noch lieber, als bekäme er euch gar nicht.« Charity erstarrte wieder. Lydia befand sich in einem Zustand, der sie absolut unberechenbar werden ließ. »Du arbeitest also für Daniel«, sagte Net. »Das hätte ich mir denken können. Woher wußte er, wo wir sind?« »Gar nicht«, antwortete Lydia. Sie deutete auf Kent. »Eigentlich sollte ich nur das Versteck dieses Narren da ausfindig machen. Daß ihr mir über den Weg gelaufen sein, war ein Zufall.« »Hoffentlich bereust du ihn nicht noch«, sagte Net zornig. An der Tür wurden Schritte laut: das klackende Geräusch von Insektenklauen, aber auch die Schritte eines Menschen. Ein halbes Dutzend schwerbewaffneter Insektenkrieger drängte in den Gleiter und nahm rechts und links neben Lydia Aufstellung. Mehr als zwanzig Strahlenwaffen gleichzeitig richteten sich auf Charity, Skudder, Net und Abn El Gurk. Der Gnom lachte gehässig. »Was glauben diese Blödmänner eigentlich, was passiert, wenn sie alle zusammen schießen?« fragte er beinahe fröhlich. »Die braten sich doch selbst!« »Kaum«, sagte eine Stimme von der Tür aus. Charity sah auf, und obwohl sie genau gewußt hatte, wen sie sehen würde, ließ der Anblick sie doch erschrocken zusammenfahren. Daniel Stone ließ ihr ausreichend Zeit, ihn in aller Ruhe zu mustern. Er hatte sich kaum verändert — sein Gesicht war trotz allem noch immer das eines zu groß geratenen, ein wenig schüchternen Jungen. Statt der dunkelblauen Space-Force-Uniform, in der Charity ihn zuletzt gesehen hatte, trug er jetzt eine einteilige Montur aus einem schwarzen Material,
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