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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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riss und es den Flammen so ermöglichte, sich an dem Tentakel zu laben.
    Dann sprang er durch den zerborstenen Türrahmen ins Freie.
    Gierig sog er die kühle Abendluft ein, die ihm ins Gesicht schlug.
    Und er sah, was geschehen war.
    Das Wolkengebilde, aus dem der Finsterfaden herauswuchs, der in Fados Haus hineinreichte, hing über der Alfama und es schien kurz davor zu sein, abzustürzen. Näher und näher kam es den Dächern der Stadt, während seine Fäden wütend um sich schlugen und packten, wen sie kriegen konnten. Etwas zog die Dunkelwolke nach unten, etwas zerrte an dem einen Finsterfaden, der noch im Laden wütete.
    Nuria?
    Er wusste es nicht. Denn die Kraft, Dinge zu wissen, schwand mehr und mehr.
    Hatte die Nebelhexe den Kampf gegen den Faden gewonnen?
    Jordi Marí schnappte nach Luft und sah die Masse aus finsterer Nacht und Nichts auf sich zukommen und er ahnte, dass seine Entscheidung, Nuria zu folgen, nicht unbedingt die beste gewesen sein mochte.

Chafariz
    »Miércoles!« Der Freudenschrei steckte Catalina noch immer im Hals, als sie sich zu der kleinen Gestalt am Fuße des Brunnens hinunterbeugte. Die kleine Nase des schwarzen Katers, der aus dem Nichts gekommen war, fühlte sich so kalt an wie die schattigen Plätze in La Marina, an denen die Fischer in der Mittagszeit gesessen hatten.
    Einen Bruchteil von Augenblicken hatte sie geglaubt, ein Schatten wäre über sie gekommen, bis sie erkannt hatte, wen sie da wirklich vor sich hatte.
    Kein Zweifel. Es war der Kater, der ihr in Malfuria auf Schritt und Tritt gefolgt war.
    »Was machst du denn hier?«, fragte sie überglücklich, kniete sich nieder und kraulte ihm das schwarze Fell.
    Der Kater sagte nichts. Er war ein Kater.
    »Miércoles!« Es tat so gut, ihn am Leben zu wissen!
    »Ihr kennt euch?«, fragte Márquez.
    »Er hat in Malfuria gelebt.« Catalina streichelte dem Tier langsam über das samtweiche Fell und die schwarzen Federn. Der geschmeidige Katzenkörper streckte sich unter der Berührung ihrer Hand. Der Kater schnurrte leise und stupste das Mädchen mit der Schnauze an. »Es tut mir leid«, flüsterte Catalina und wusste nicht einmal, ob die Katze, die sich immerzu und überall in den sich fortwährend ändernden Räumen des Sturms aus dichten Rabenfedern herumgetrieben hatte, sie überhaupt verstand.
    Das grazile Tier faltete seine Flügel aus, um sie zu reinigen. Nie zuvor war dem Mädchen aufgefallen, wie filigran die Flügel des Katers waren. Es waren zerbrechliche Schwingen, so viel stand fest. Hoch oben in Malfuria hatte er sie nicht gebraucht und wenn er sie nicht benutzte, dann fielen sie kaum auf.
    »Bist du bis hierher geflogen?«, fragte Catalina und schaute in den Himmel hinauf.
    Miércoles gab keine Antwort. Er schnurrte nur, leise.
    Was für ein schönes Tier er doch war. Catalina berührte sein Fell erneut und Hoffnung stieg in ihr auf. Wenn es Miércoles geschafft hatte – was war dann mit Agata la Gataza geschehen? Hatte auch sie sich aus Malfuria retten können?
    La Gataza verlässt Malfuria niemals, rief sie sich die Worte von Makris ins Gedächtnis.
    Miércoles schnurrte und faltete die Flügel wieder zusammen. Langsam erhob er sich, wie es der Katzen behäbige Art ist, und strich an den Beinen des Mädchens entlang. Sein samtiger Schwanz ringelte sich, als male er Buchstaben in die Luft.
    Der Schatten des alten Kartenmachers glitt über Catalina und die Katze hinweg und floss über den Platz. Unruhig spähte er in die Gassen, mal hierhin, mal dorthin. Einen Augenblick später zuckte er zurück – enttäuscht, nicht das gefunden zu haben, worauf er wartete, und legte sich wieder über sie.
    »Das ist Márquez«, stellte Catalina den Schatten des Kartenmachers vor.
    Miércoles drehte den Kopf und musterte sein Gegenüber.
    »Wir verstehen uns«, sagte der alte Kartenmacher schlicht und beugte seinen Kopf.
    Der Kater schnurrte leise, aber plötzlich wurde das Schnurren zu einem Fauchen, in dem alle Traurigkeit der Katzenwelt mitschwang.
    »Sie meinen – Sie verstehen, was er sagt?«, fragte Catalina verwundert und ließ den Blick von einem zum anderen wandern.
    »Ich bin ein Schatten«, sagte der Schatten, als würde das alles erklären, und lächelte kühl wie ein Windhauch in der Nacht. »Die Katzen mögen die Schatten, schon immer sind sie befreundet gewesen. Warum findet man sie sonst so oft in den Schatten liegend vor? Wir führen Gespräche, gerade in der Mittagsstunde, wenn die Sonne hoch am Himmel steht.

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