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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Die Katzen sehen vieles, was uns verborgen bleibt. Wir tauschen Geschichten aus, erblicken die Welt mit den Augen der Katzen. Und die Katzen, mein Kind, sehen die Welt mit Schattenaugen.«
    Catalina schnappte nach Luft. Erneut blickte sie von einem zum anderen.
    »Stimmt das?«, fragte sie den Kater.
    Miércoles schnurrte.
    Und nickte dann, wie nur Katzen es tun.
    »Warum können Sie ihn verstehen und ich kann es nicht?« Ja, sie wusste, dass sie selbst kein Schatten war. Trotzdem!
    Der Schatten lächelte gütig. »Katzen«, sagte er, »haben Herzen, die nur ihnen selbst gehören. Eine Katze gehört niemandem und mit ihrem Herzen verhält es sich genauso.«
    Catalina sah ihn ratlos an. »Was hat das mit meiner Frage zu tun?«
    »Geduld, Geduld.« Márquez hob die Hände.
    Catalina verzog das Gesicht.
    »Wenn du es irgendwann einmal schaffst, eine Katze zu echten Tränen zu rühren, dann wirst du sie verstehen.«
    Mit einem Mal fiel Catalina auf, dass sie noch nie zuvor ein Tier hatte weinen sehen. Konnten sie überhaupt Tränen vergießen? Die güldenen Katzenaugen beobachteten sie und wirkten nicht so, als würden sie sich zu einer echten Gefühlsregung hinreißen lassen. Sie sahen freundlich aus, ja, und doch raubtierhaft.
    »Du musst ihm eine Geschichte erzählen, die ihn zu Tränen rührt, und wenn das passiert, dann musst du die Träne, die das Katzenauge weint, ganz leise kosten.«
    »Dann werde ich Miércoles verstehen?«
    Der alte Kartenmacher nickte.
    Catalina betrachtete den Kater. Und sie fragte sich, wie die Geschichten der Schatten sich wohl anhörten, wenn sie die Katzen in der Welt zu Tränen gerührt hatten.
    »Aber wir haben jetzt kaum Zeit zum Geschichtenerzählen, nicht wahr?« Márquez spähte über den Platz zu den angrenzenden Straßen und Gassen, in denen es verdächtig still war. »Sie müsste längst hier sein«, sagte er.
    Catalina nickte.
    Wo war Nuria?
    Was hatte ihr Ausbleiben nur zu bedeuten?
    Sie rief sich Márquez’ Worte ins Gedächtnis. »Wenn etwas passiert, etwas, das wir nicht vorhergesehen haben, dann müssen wir in die Stadt aus Nacht und Nirgendwo gehen.«
    Und dass etwas passiert war, das spürte Catalina tief im Inneren ihres Herzens. Auch wenn sie ihre Großmutter überhaupt nicht kannte, war sie doch sicher, dass sie ihr Wort halten würde, wenn sie es nur könnte.
    Meine Güte, außer den kümmerlichen Erinnerungen eines kleinen Mädchens, die der Aquamarin ihr geschenkt hatte, besaß sie nichts, aber auch gar nichts, was sie mit Nuria Niebla verband. Trotzdem war da ein Band zwischen ihnen, das stark war. Sie vertraute der Nebelhexe aus tiefstem Herzen.
    Plötzlich kam ihr ein Einfall. Was, wenn Nurias Verschwinden etwas mit dieser riesigen Wolke aus Finsternis zu tun hatte, die drüben in der Alfama mit lautem Getöse niedergegangen war? Was hätte das dann zu bedeuten?
    Der Kater erhob sich langsam, strich ihr einmal um die Beine und sprang dann auf den Brunnenrand. Gleichsam neugierig wie vorsichtig betrachtete er die Rankenwurzeln, die über dem Brunnenschacht lagen. Die Drachenharpyie, die wie ein strenger Wächter auf dem gewaltigen Sockel aus Stein thronte, sah von oben auf sie hinunter – fast schien es, als ob sie die Neuankömmlinge misstrauisch beäugen würde.
    Und noch etwas erkannte Catalina jetzt. Zwischen den mächtigen Klauen des Brunnenwächters entsprang eine richtige Pflanze, die wie kunterbunter Efeu aussah und lange Wurzeln besaß. Sie rankten sich über den Sockel hinab und verflochten sich mit den hölzernen Ranken zu einem dichten Teppich, der die Brunnenöffnung ganz bedeckte.
    Spitze Dornen wuchsen auf den Wurzeln, aber auch wunderschöne Rosenblüten. Der Duft der Pflanze schwebte Catalina in die Nase und trotz ihrer Sorgen fühlte sie sich plötzlich merkwürdig getröstet.
    »Es ist ein Rosenefeu«, erklärte Márquez, doch er war nicht ganz bei der Sache. Wieder sah er sich unruhig um.
    Catalina hatte von diesen Pflanzen gehört. Ihre Eltern hatten ihr davon erzählt. Wie lange war das nun her? Sie seufzte. An die Cala Silencio zu denken tat weh. An ihre Familie zu denken tat weh.
    Sie schloss die Augen.
    »Catalina. Es ist so weit. Wir dürfen nicht länger warten!«, sagte der Kartenmacher. In seiner Schattenstimme klang jetzt ganz offen die Furcht.
    Catalina blinzelte. Die Töne der Wirklichkeit kehrten unsanft zu ihr zurück. Das dumpfe Donnergrollen der Kanonen, die aus der Ferne Finsternis auf Lisboa schossen, schwoll an. Ebenso die

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