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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Jordi sah, dass er ein Stück des Tentakels abgeschnitten hatte.
    Ja!
    Blitzschnell kroch er rückwärts, fort von dem um sich schlagenden Tentakel, und fast schon wähnte er sich in Sicherheit, als ein neuer Finsterfaden ihm mit einem einzigen Peitschenhieb die Münze aus der Hand schlug. Verzweifelt folgte Jordi ihrem Flug und sah, wie sie in dem Meer aus Kakerlaken unterging, das sich ihm näherte.
    Und noch während er fassungslos auf die wuselnden Käfer starrte, wurde Jordi erneut in die Höhe gerissen. Dieser Finsterfaden schien damit keine Mühe zu haben. Wo sein Gefährte versagt hatte, blieb er nun siegreich. Er packte Jordi am Handgelenk und schleuderte ihn hoch hinaus, den Dächern und Gärten entgegen.
    Das tosende Meer schwarzer Leiber indes strömte raschelnd unter ihm hindurch. Einige der Tiere sprangen sogar in die Höhe, doch Jordi war schon zu weit entfernt.
    Nicht, dass er gewusst hätte, welches Schicksal ihm lieber gewesen wäre.
    Der Finsterfaden zog ihn hinauf zu dem riesigen Wolkengebilde, das jetzt wie ein neugeborenes Firmament ohne einen einzigen Stern zwischen den Dächern zu Boden quoll. Die obersten Stockwerke der Häuser waren bereits von ihm verschlungen worden. Die Dunkelheit näherte sich durch die Straßen und legte sich wie ein Leichentuch über diesen Teil der Alfama.
    Jordi schrie wütend auf.
    Catalina war irgendwo da draußen und all die anderen auch. Kamino, Cortez, Kopernikus. Das hier durfte einfach nicht das Ende sein, nicht nach all dem, was er erlebt hatte!
    Er hatte dem Finsterfaden immerhin mit der Silbermünze Schaden zufügen können. Warum? Er hatte keine Ahnung. Waren die Schattengewächse doch nicht so stark, wie es den Anschein erweckte? Vertrugen sie die Berührung mit dem scharfen Silber nicht?
    Etwas Weißes blitzte in seinem Augenwinkel auf.
    Dann schlug er mit dem Kopf gegen eine Häuserwand und verlor beinah das Bewusstsein.
    Das Wolkengebilde war nun ganz nah. Er konnte die Farben in seinem Innersten sehen, obwohl dort nur Finsternis lebte. Verzweifelt versuchte sich Jordi an einer Schlingpflanze, die auf einem Dach lebte, festzuhalten. Die Pflanze spürte die Bedrohung und mit ihren Mündern aus Dornen schnappte sie wütend nach den Händen des Jungen.
    Ein zweiter Finsterfaden packte ihn am Fuß. Kopfüber hing er jetzt in der Luft und das Blut schoss ihm ins Gesicht.
    Tränen traten ihm in die Augen und dann spürte er, wie sich sein Körper entspannte.
    Bald schon würde es vorbei sein, bald schon wäre er erlöst. Er müsste nur die Farben genießen, die man ihm schenken würde, das konnte doch nicht so schwer sein. Er fühlte sich leicht und unbeschwert und musste sogar lächeln, weil die Gewissheit, dass es in wenigen Augenblicken zu Ende sein würde, ein schöner Gedanke war, der so unverhofft zum Leben erwachte wie die Winde, die jetzt heulend aufkamen und, die Feuer anfachend, durch die Straßen wehten.
    Jordi blinzelte.
    Warum kam ihm das so bekannt vor?
    Ein plötzlicher Windhauch schlug ihm ins Gesicht.
    El Cuento?
    Er spürte, wie tief in ihm Hoffnung aufkeimte. Catalinas Freund, der Wind, hatte ihnen schon in Barcelona zur Seite gestanden.
    Die Flammen schlugen jetzt höher und wenn sie die Finsterfäden berührten, dann zogen diese sich ruckartig ein Stück zurück. Genauso war es in Barcelona gewesen! Dort hatten die brennenden Flickenfetzen von den Winden angetrieben die Dunkelheit verjagt!
    Und das hier waren keine gewöhnlichen Flammen wie in der singenden Stadt. Es waren die Flammen der Nebelhexe, es war ein Feuerzauber!
    Jordi lauschte.
    Da waren Stimmen!
    Nein, keine Stimmen, sondern Seufzer! Irgendjemand seufzte mitten in den Winden.
    Durchhalten, Jordi, schoss es ihm durch den Kopf. Du musst noch ein bisschen durchhalten.
    Mit neuer Kraft begann er zu zappeln, sich zu wehren, auf die Finsterfäden, die sein Fußgelenk umklammert hielten, einzuschlagen.
    Dann zuckte ein greller Blitz durch die Schattenwolke hindurch, raste an ihm vorbei und schlug in die nächstgelegene Hauswand ein, wobei er die dort hinaufwuchernden Lianen in grauschwarze Asche verwandelte.
    Jordi keuchte auf, diesmal vor Schreck.
    Ein weiterer Blitz zischte an ihm vorbei.
    Der Junge bemerkte, wie die dürren langen Fäden der Meduza unruhig zuckten und die dichte Wolkendecke aufgerissen wurde, als sich neue Blitze entluden und in Windeseile ein großes Loch in die Nachtschwärze brannten.
    Die seufzenden Stürme, die ihm jetzt laut um die Ohren heulten und die

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