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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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erzählte in knappen Worten, was ihm widerfahren war.
    »Dann ist Nuria also tot?«, fragte Kopernikus nachdenklich. Er stand auf und ging zu dem runden Fenster, schaute nach draußen.
    »Sie ist verbrannt«, erklärte Jordi und schluckte. »Zumindest hat es so ausgesehen, als sei sie verbrannt.«
    Der Mann nickte. Er trug noch immer seinen schwarzen langen Mantel, den er nie abzulegen schien. »Nuria ist schon einmal verbrannt«, sagte er und Jordi hatte keine Ahnung, was er meinte.
    Santiago Cortez bellte einen hektischen Befehl durch die Sprachrohre.
    Kamino sprang auf, rannte zu einem der gewundenen Rohre aus Messing und schrie hinein: »Es ist alles vorbereitet! Warte nicht auf uns.« Sie drehte sich zu Jordi um. Ihre Augen blitzten. »Die Galeonen liegen direkt voraus.«
    »Was ist mit Catalina?«, fragte Jordi drängend.
    Kamino schaute ihn an und sagte schnippisch: »Bist du nicht froh, dass wir wenigstens dich gefunden haben?«
    Kopernikus schaute von dem Jungen zu dem Mädchen und wieder zurück.
    »Was gibt es da zu glotzen?« Kamino funkelte jetzt ihn an und machte dann auf dem Absatz kehrt. »Es gibt Wichtigeres zu tun. Wir fliegen auf die Galeonen zu! Kommt mit ins Cockpit.« Damit war sie schon aus der Tür, ohne eine Antwort abzuwarten.
    »Willkommen zurück auf dem Falken«, sagte Kopernikus und grinste schwach. »Mit seinen außerordentlich gastfreundlichen Bewohnern.«
    Jordi nickte geistesabwesend und folgte seinem Freund durch den Frachtraum zur Tür.
    Kopernikus hatte recht. So hatte er Kamino kennengelernt, zutiefst misstrauisch und verschlossen. Aber da war auch die andere Kamino – die ihm ihre Sorgen anvertraut und die ihn eben so stürmisch begrüßt hatte.
    Durch ein verschlungenes Labyrinth aus runden Gängen, schrägen Aufstiegen, engen Leitern und heimlichen Stegen führte ihr Weg durch den Falken. Von Kamino war nichts mehr zu sehen, aber Kopernikus schien sich hier inzwischen bestens zurechtzufinden.
    Hin und wieder wurde der riesige Vogel von Erschütterungen heimgesucht und man konnte Donnergrollen hören, das gedämpft durch die Wände aus Stahl und Holz nach innen drang.
    Dann erreichten sie das Cockpit.
    »Da seid ihr ja!« Die dünnen Zöpfe, die Santiago Cortez an den Schläfen herabbaumelten, die langen geflochtenen Haare, die unter einem Kopftuch hervorlugten, und die kunstvollen Ketten, die ihm um den Hals baumelten, ließen ihn wie einen Freibeuter aus alter Zeit erscheinen. Jordi wusste, dass er ein Windwanderer war, jemand, der die Lüfte bereiste und die Wracks unglückseliger Flugmaschinen fledderte. Als Jordi vortrat, sagte er nur: »Sag, sind wir nicht nette Kerle, dass wir dich gerettet haben?« Er grinste süffisant, wendete den Blick aber nicht von dem ab, was sich da vorne vor dem Fenster abspielte. »Das wird ein gehöriges Stück Arbeit«, knurrte er und wisperte etwas in ein Sprachrohr aus Messing, das sich direkt vor seinem Gesicht befand. »Die Seufzerstürme denken, dass es zu schaffen ist.«
    Kamino ließ sich in einen der freien Sitze vor den Schaltpulten fallen. »Ein Hurra auf die Meinung der Seufzerstürme«, murmelte sie. Dann, zu den anderen gewandt: »Schnallt euch an, es geht gleich rund.«
    Jordi und Kopernikus taten, wie ihnen geheißen wurde.
    Durch die Buntglasfenster, die wirklich den Eindruck entstehen ließen, sich im Kopf eines Raubvogels zu befinden, bot sich ihnen ein weitläufiger Blick auf Lisboa.
    Das Wolkengebilde, das sie gerade durchstoßen hatten, bedeckte einen großen Teil der Alfama und wilde Tentakel schlängelten sich durch die Straßen. Die Lücken, welche die Blitze in die Fäden der Meduza gerissen hatten, waren in Windeseile wieder zugewachsen. Die Flammen, die noch vereinzelt dort unten gebrannt hatten, wurden wohl von der Macht der Dunkelheit ausgelöscht, als sich das gesamte Wolkengebilde wie ein Teppich über diesen Stadtteil legte.
    Cortez hatte sich lässig in seinem großen Pilotensitz zurückgelehnt, doch etwas in der Art und Weise, wie er mit den Seufzerstürmen redete, verriet seine Unruhe. Ohne zu zögern steuerte er den Falken auf eine Wand aus Dunkelheit zu, die sich jenseits des Tejo bis hoch in den Himmel erhob. »Seht ihr das da vorne?«, fragte er.
    Jordi nickte nur, entdeckte aber nichts, aber auch wirklich gar nichts, was das Grinsen im Gesicht des Windwanderers gerechtfertigt hätte.
    Der Falke hatte die Alfama verlassen und schickte sich an, den Tejo zu überqueren. Geschickt wich er den Fäden der

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