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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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schweren Tauen mit kunstvollen Mustern, Teppiche, auf denen sich Minarette und Häuser befanden. Kleinere Gebilde, die wie Moskitos aussahen und deren flirrendes Surren die Luft erfüllte. Noch bevor sie den Falken erreicht hatten, zischten sie zwischen den großen Schiffen hindurch.
    »Da sind zwei Kormoran-Gleiter«, staunte Kamino und bekam den Mund nicht mehr zu. »Herrje, und echte Haouz-Teppiche.« Sie war ganz aus dem Häuschen. »Ich dachte immer, die gebe es nur in den alten Märchen.« Sie musste lachen und schien den Ernst der Lage und den Händedruck, der sie verlegen gemacht hatte, für einen kurzen Moment vergessen zu haben. »Als kleines Mädchen habe ich immer davon geträumt, auf so einem zu fliegen.«
    Jordi erwiderte ihr Lächeln, einfach weil es ansteckend war. »Wohin wollen die nur?«
    Kopernikus trat neben ihn und deutete auf einen der Moskitos, der sich schwirrend näherte und mit seiner dreieckigen Blütenstängelfahne Signale setzte. »Wir werden es erfahren«, sagte er. Er griff nach einem Sprachrohr und verkündete dem Kapitän: »Cortez, wir sollten einen Gast aus der Flotte willkommen heißen.«
    »Meint Ihr den Moskito?«
    »Er will an Bord kommen.«
    Es knackte in der Leitung. »Dann öffnet ihm«, antwortete Cortez. »Er soll längsseits kommen.«
    Der Falke, das spürte Jordi, wurde sofort langsamer.
    »Das da drüben«, mutmaßte Kamino und deutete aus dem Fenster, »muss Khenifra sein.«
    Jetzt erst erkannte Jordi die Stadt, die im gleißenden Sonnenlicht kaum auszumachen war. Sie befand sich inmitten von dichten Wäldern. Kiefern, Olivenbäume und Berberthuja bildeten einen Teppich aus Grün, aus dessen Mitte die weißen Häuser wie dicke Zähne ragten.
    »Dann ist Marrakech, grob geschätzt, noch zwei Flugstunden entfernt«, stellte Kopernikus fest. Er warf noch einen langen Blick aus dem Fenster, bevor er die Messe verließ, um die Planke für den Moskito auszufahren.
    Mittlerweile hatte die Flotte, die bis zum Horizont reichte, den Falken ganz eingeschlossen. Über und unter ihnen flogen fremdartige Maschinen, glitten lautlos oder mit ohrenbetäubendem Getöse an ihnen vorbei. Manche von ihnen besaßen Propeller, welche die Luft aufrührten und den Falken in ihrem Kielsog schaukeln ließen, als stießen sie in schwere See vor.
    Makris de los Santos stand auf und tastete sich zu den anderen vor. Ihre Amethyst-Augen glänzten leer. »Was geschieht da draußen?«
    Kamino erklärte es ihr.
    »Es sind größtenteils Karawanen-Schiffe«, sagte sie, »aber einige von ihnen sehen aus, als kämen sie aus dem tiefsten Süden Mauretaniens.« Sie beschrieb der blinden Zigeunerhexe eine Reihe von elegant über die Ebene schwebenden Elfenbein-Schaluppen und kleinen Flughyänen, die sich munter zwischen die Zeppelingleiter und die riesigen Frachtballons gemischt hatten. »Sie sind alle voll beladen, deshalb liegen sie so schwer in der Luft.«
    »Du kannst das von hier aus sehen?«, fragte Jordi.
    »Hey, ich bin ein Windwanderer«, antwortete Kamino nur.
    Makris de los Santos hielt sich am Fensterrahmen fest.
    »Der Falke schaukelt stark«, stellte sie fest.
    »Die Seufzerstürme sind unruhig«, erklärte Kamino. »Sie spüren, dass da etwas nicht stimmt. Es ist sehr selten, dass man so viele Flugmaschinen außerhalb der Häfen und Fliegerfriedhöfe antrifft.«
    »Sie kommen uns entgegen, sagt ihr?« In Makris Stimme klang eine dunkle Vorahnung. »Wovor flüchten sie?«
    Kamino antwortete nicht.
    »Mir fällt nur ein einziger Grund ein.« Jordi sprach ihn nicht aus.
    »Marrakech«, flüsterte Makris de los Santos.
    Weder Kamino noch Jordi sagten ein Wort. Aber alle dachten sie das Gleiche.
    Marrakech!
    Wie eine düstere Prophezeiung hing der Name in der Luft. Marrakech war ihre Hoffnung gewesen. Dort hätten sie Proviant aufnehmen und den Falken in Ruhe reparieren können. Dort wären sie in Sicherheit gewesen.
    Doch nun?
    Wieder einmal hatte sich ihre Lage verändert.
    Jordi spürte den Zorn in sich wachsen. Die Schatten hatten kein Recht, die Welt mit diesem Chaos zu überziehen.
    »Da ist er«, flüsterte Kamino ihm zu.
    Jordi blickte zur Tür.
    Kopernikus kehrte in die Messe zurück, an seiner Seite ein Mann im Kaftan und mit einer Fliegerbrille im Gesicht, ein Moskitoflieger, der selbst ein wenig wie ein kleiner Moskito aussah.
    »Unser Gast nennt sich Tahar Zaoua«, stellte Kopernikus den Flieger vor.
    Der Fremde verneigte sich vor den Anwesenden.
    Kurz darauf polterte Santiago Cortez in

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