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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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die Messe. Er trug sein Hemd offen, sodass jedermann die Ketten und Anhänger bewundern konnte, die auf seiner haarigen Brust baumelten.
    »Seid gegrüßt.« Er vergeudete keine Zeit.
    Der Fremde verneigte sich abermals, wie es Sitte war, und sagte augenblicklich: »Ihr müsst den Kurs wechseln. Wenn ihr in dieser Richtung weiterfliegt, seid ihr in großer Gefahr.«
    »Wo kommt Ihr her?«, fragte Cortez.
    Der Moskitoflieger deutete nach Süden, auf ein Gebirge, das sich hinter der Stadt erhob. »Aus einem Lufthafen namens El-Mahbas. Wir eskortierten eine Karawane durch die dichten Wolken bis nach Marrakech.« Jordi konnte das Spiegelbild des Kapitäns in den Gläsern der Fliegerbrille erkennen, die der Fremde trug. »Dort wurden wir angegriffen. Es war eine Armada fliegender Galeonen. Sie belagerten Marrakech.«
    Cortez kratzte sich nachdenklich am Kinnbart. »Das klingt nicht gut.«
    »Ihr müsst umkehren, mein Freund.«
    Cortez schüttelte den Kopf. »Ist das dort drüben Eure Flotte?«
    »Ich habe mich ihr nur angeschlossen.«
    »Tja, auf Euch warten genauso schlechte Nachrichten«, stellte Cortez lapidar fest. »Ihr fliegt dorthin, wo wir herkommen.« Dann erzählte er ihm von Lisboa, von Valencia und von Barcelona. Und von den Dingen, die er von anderen Windwanderern gehört hatte.
    »Aber das ist nicht möglich«, stöhnte der Moskitoflieger.
    »Doch, ist es.«
    Kamino beugte sich zu Jordi und flüsterte: »Was hältst du von ihm?«
    Jordi zuckte die Achseln. Er war wachsam. Das war er, seitdem er Barcelona verlassen hatte.
    Cortez fragte: »Wie steht es um Marrakech?«
    »Die Stadt liegt unter einer dunklen Wolkendecke verborgen. Schiffe, die sich ihr nähern, verschwinden darin. Die Fluggeräte, die Ihr hier seht, haben den Hafen von Marrakech nie erreicht. Wenn es uns nicht gelungen wäre, noch rechtzeitig den Kurs zu ändern . . .«. Der Windwanderer schwieg einen Moment, bevor er fortfuhr. »Keiner ist entkommen.«
    Cortez pfiff durch die Zähne. Er warf einen Blick in die Runde, strich sich die Zöpfe aus dem Gesicht und sagte dann: »Mist, verdammter.«
    Jordi fand, dass es da kaum mehr zu sagen gab.
    Makris de los Santos stand am Fenster und lauschte dem Gespräch. Ihr Mund war verzogen – nur daran sah man, dass sie sich sorgte. Und dass sie unter Schmerzen litt.
    Jordi blickte auf ihren Arm. Die Mosaiksteine hatten sich ausgebreitet und reichten jetzt bis über den Ellenbogen.
    »Was tun wir jetzt?«, fragte Kamino.
    Cortez hatte die Antwort parat: »Wir müssen beidrehen.«
    »Wo wollt ihr denn hin?«, fragte der Moskitoflieger.
    Cortez zuckte die Achseln. »Jedenfalls nicht mehr nach Marrakech.«
    Der Moskitoflieger schien über diese Antwort nachzudenken.
    »Ihr solltet Euch uns anschließen«, schlug Cortez vor. »Ihr fliegt in Euer Verderben, wenn Ihr weiter nordwärts wollt. Glaubt mir, wir wissen, wovon wir sprechen.«
    »Es gibt aber keine andere Route.«
    Cortez wanderte rastlos in der Messe umher. »Doch, die gibt es«, sagte er und deutete hinaus aus dem Fenster, in eine Richtung, die wohl Südsüdosten war.
    »Das ist nicht Euer Ernst.«
    »Doch, ist es.«
    »Ihr wollt mitten in die Zahara fliegen?«
    »Da ist es immerhin hell.« Cortez zog eine Grimasse, die alles bedeuten konnte. »Wo die Sonne scheint und nichts wächst, da gibt es auch wenig Schatten, oder?«
    Kamino musste grinsen, als er das sagte. Jordi sah, wie ihre Augen aufblitzten.
    »Das ist doch Wahnsinn! Kein Flieger traut sich dort hinein«, gab der Moskitoflieger zu bedenken.
    »Gerade deswegen ist es eine Alternative.«
    Der Moskitoflieger schüttelte heftig den Kopf. »Wir bleiben auf Kurs. Schließt euch uns doch an.«
    »Warnt die anderen«, sagte Cortez nur. Er schien auf einmal das Interesse an dem Fremden zu verlieren. »Ihr sprecht ihre Sprache, Flieger. Sagt ihnen, was ich Euch wissen ließ. Und dann tut, was Euch als das Beste erscheint.«
    Der Moskitoflieger verneigte sich kurz und wollte gerade die Messe verlassen, als Kopernikus auf ihn zutrat. »Ihr tragt eine Fliegerbrille«, sagte er nur. »Selbst hier in der Messe.«
    Der Moskitoflieger erwiderte nichts.
    »Die Sonne scheint nicht sehr hell hier drinnen.«
    Schweigen.
    Jordi und Kamino fragten sich beide, was Kopernikus vorhatte.
    »Erlaubt mir, Eure Augen sehen zu dürfen«, sagte der Navigator.
    Cortez beobachtete voll plötzlichen Misstrauens, was da vor sich ging. Er wechselte einen Blick mit Kamino, länger als sonst.
    Der Moskitoflieger

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