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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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er.
    »Zu welchem Zweck?«, fragte Kamino, die Makris de los Santos in den Stuhl half.
    »Sie folgen denen, die auf der Flucht sind. So einfach ist es. Sie wollen herausfinden, wo die Menschen hinwollen. Wo sie sich verstecken.«
    Makris wurde bleich. Nur schwer fand sie ihre Stimme wieder. »Ihr meint, sie folgen der Flotte, damit . . .« Sie beendete den Satz nicht. Was sie hatte sagen wollen, war jedem klar.
    Stille legte sich über die Messe. Nur die Seufzerstürme, die draußen am Fenster vorbeiflogen, brachen das Schweigen.
    Kamino kniete neben Makris de los Santos. Cortez sah zu Kopernikus. Und Kopernikus folgte den Bewegungen der Zigeunerhexe. Alle dachten sie das Gleiche.
    »Sie sind überall«, sagte Kamino. Jede Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen.
    Draußen, vor dem Fenster, war der Himmel wieder blau. Die Flotte war bis auf ein paar Nachzügler schon weitergezogen.
    »Einige von ihnen werden die See erreichen«, sagte Jordi schließlich. »Die Armada wird sie dort empfangen.«
    »Ja«, beendete Kamino den Gedanken für ihn. »Und diejenigen, die das Glück haben, zu entkommen, werden die Silberaugenmenschen, die in ihrer Mitte sind, zu den anderen Flüchtenden führen.«
    Kopernikus schnaubte wütend und betrachtete seine Linke, die einen tiefen, blutenden Schnitt aufwies. »Was tun wir jetzt?«
    Cortez verschränkte die Arme hinter dem Rücken, dachte nach. »Wir nehmen Kurs auf die Wüste«, sagte er. »Niemand sonst wird dorthin flüchten.«
    »Wir haben Karten, die uns zeigen, wo es Oasen gibt«, sagte Kamino.
    »Wo liegt dann das Problem?«, fragte Jordi.
    »Sandgeister«, raunte Cortez.
    Kamino nickte. »Und nicht nur das. Die Wüste ist kein Ort für Windwanderer. Zu unstet sind die Winde, zu geheimnisvoll die Oasen. Man findet dort wenig Wasser und wenn man Pech hat, gerät man in einen Sandsturm, der einem die Getriebe verstopft, die Scharniere blockiert und den Vogel abstürzen lässt.« Sie schüttelte den Kopf. »Kein angenehmer Gedanke.«
    »Aber das ist trotzdem der Kurs, den Ihr setzen wollt.«
    »Wenn die Schatten in Marrakech sind«, erklärte Cortez, »dann ist uns der Weg nach Süden abgeschnitten.«
    »Und wenn sie auch in der Wüste sind?«
    Der Kapitän zeigte sein Goldzähnegrinsen. »Dann werden wir das tun, was wir immer tun«, verkündete er. »Wir werden einen Weg finden, der uns den Hals rettet, verflucht noch mal und dreimal . . .«
    Jordi musste lachen, als der Kapitän ausspuckte und sich grummelnd auf den Weg ins Cockpit machte. Er konnte nicht anders, er musste diesen verrückten Kerl bewundern. Wenn es einer schaffte, die Wüste zu bezwingen, dann würde das Cortez sein, so viel stand fest.
    Doch in diesem Moment wurde ihm bewusst, was es für ihn hieß, wenn sie die Wüste erreichten. Dann hätte er keine Möglichkeit mehr, zu Catalina in die Schattenstadt zu gehen.
    »Hilf mir mal, Junge.« Er sah zu Kopernikus hinüber, der gerade den Silberaugenmatrosen zur Luke zerrte, und sprang hinzu, um mit anzupacken.
    Er kniete nieder und sah auf die Münzen in dem leblosen Gesicht. Vorsichtig hob er die Hand und wollte gerade das Metall berühren, als Kopernikus ihn zurückhielt. »Was tust du denn da?«, fragte er entgeistert. Doch dann verstand er, was der Junge hatte herausfinden wollen.
    »Das ist kein Schatten«, erklärte er und schüttelte den Kopf, »und auch kein Mensch.«
    »Was ist er?«
    »Etwas dazwischen.« Mehr wollte Kopernikus nicht sagen.
    Dann warfen sie den Leichnam des Moskitofliegers über Bord.
    »Kopernikus?« Makris’ Stimme klang hell durch den Raum. Sie blickte sich mit ihren Steinaugen um.
    Kopernikus verschloss die Luke, kam zurück und kniete sich neben sie. »Ich bin hier«, sagte er leise.
    »Ich danke Euch.« Ihre Stimme klang rau.
    Er griff nach ihrer Hand aus glitzernden Mosaiksteinen. Was er antwortete, hörte Jordi nicht mehr, denn er hatte sich bereits leise davongeschlichen.
    Im engen Durchgang hinter der Messe verharrte er.
    Cortez war im Cockpit und steuerte mitten in die Wüste hinein. Und Kamino? Sie war wahrscheinlich im Falken, machte sich nützlich, wie sie es immer tat, wenn sie nicht reden wollte.
    Und während der Falke seinem neuen Kurs folgte, ging Jordi Marí nach draußen, zur Reling über den Tragflächen. Vielleicht würde er El Cuento dort treffen. Vielleicht, irgendwann, Kamino. Vielleicht aber auch niemand. Auch das wäre gut.
    Vielleicht, dachte er sich, wäre das sogar das Allerbeste.

Firnis
    Die Casa de les Punxes

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