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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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stand direkt neben der Windmühle. Von den sechs Türmen, deren karmesinrote Dächer spitzen Hüten glichen, waren nur noch vier vorhanden. Dürre Kaminschlote ragten krumm in den sandfarbenen Pergamenthimmel und die gusseisernen Balkone erinnerten an Augen, mit deren Hilfe sich die alte Bibliothek ihren Weg durch die Straßen und Gassen der Schattenstadt gesucht hatte.
    Das Gebäude war gegen das Haus gestoßen, auf dem sich die Windmühle befand, was ein Versehen gewesen sein musste, aber dennoch das kleine Beben hervorgerufen hatte.
    »Wir dürfen keine Zeit verlieren«, drängte Catalina den Sphinx, als ihr bewusst wurde, wer da zu ihnen gekommen war. Sie wusste nicht, wie lange das Haus der Nadeln vor Ort bleiben würde.
    Sie schnappte sich die Zeichnung mit der Frauenhand, faltete sie flink zusammen und steckte sie sich in die Hosentasche. Ein wenig ratlos blieb sie vor dem Regal mit den Zeichenutensilien stehen. Sie musste etwas davon mitnehmen. Aber was?
    Sie entschied sich für einen abgebrochenen Bleistift und ein Stück Papier. Dann rannte sie aus der Windmühle hinaus.
    Miércoles war dicht hinter ihr.
    Es schien keine Sonne an dem hellen Pergamenthimmel und doch war es so warm wie in Barcelona zur Siesta.
    Catalina durchquerte das Kräutergärtchen und der Geruch, der sie sanft streifte, erinnerte sie an Tage, die schön gewesen waren. Schnell lief sie bis zum Rand des flachen Daches und blieb dort stehen.
    Fast konnte man das Haus der Nadeln anfassen, so nah war es herangekommen. »Wir sollten springen«, meinte Catalina.
    Vorsichtig lugte sie in die Tiefe. Der Spalt, der zwischen den Häuserwänden klaffte, war mehr als zwei Meter breit. Auf der anderen Seite befand sich das schräge Dach der Casa de les Punxes. Ein Fenster und ein Balkon waren in unmittelbarer Nähe.
    Mit ein wenig Anlauf müsste das zu schaffen sein.
    Miércoles trat neben sie. »Das ist ziemlich weit«, sagte er skeptisch.
    Catalina stand mit den Zehen am Abgrund.
    Der Sphinx beobachtete sie.
    Ohne zu überlegen oder ihm eine Antwort zu geben, ging sie einige Schritte zurück, nahm Anlauf und sprang.
    Die Zeit schien stehen zu bleiben auf diesem Sprung ins Nichts.
    Catalina spürte, wie ihr der Wind ins zopfige Haar fuhr, und sie fühlte die gähnende Leere tief unter sich. Sie sah das Fenster mit dem bunten Glas, das sie zu erreichen hoffte. Sie sah die kleinen Risse in der Mauer des Gebäudes, sie bemerkte die Blättermuster in den Ziegeln.
    Und sie wusste, dass sie es nicht bis zum Fenster schaffen würde.
    Verflucht!
    Catalina reckte die Arme nach vorn, streckte sich im Sprung. Mit einem Aufschrei prallte sie gegen die Dachziegel und suchte fieberhaft nach einem Halt. Die Ziegel waren glatter, als sie es sich vorgestellt hatte, und das Fenster viel zu weit über ihr, als dass sie danach hätte greifen können.
    Ihre Füße traten ins Leere, rutschten ab und dann spürte sie, wie sie nach unten gezogen wurde.
    Sie stöhnte kurz auf, als sie die Regenrinne verfehlte und weiter hinabstürzte.
    Etwas flatterte neben ihr. Ein schwarzer Körper mit feinen Schwingen.
    Dann prallte das Mädchen auf etwas Hartem auf.
    Der Atem entwich Catalina mit einem Keuchen. Jeder noch so kleine Knochen tat ihr weh.
    Nur zögernd öffnete sie ihre Augen, vor denen sich alles drehte, und sah, dass sie auf einem Balkon, der sich weiter unten aus der Fassade herauswölbte, gelandet war. Ein Blick nach oben sagte ihr, dass sie fast drei Meter tief gefallen sein musste.
    »Verdammt«, schimpfte sie und stand langsam auf, wobei sie wütend das Gesicht verzog.
    »Alles in Ordnung?« Miércoles landete neben ihr, faltete die Flügel zusammen.
    Catalina tastete vorsichtig nach Armen, Hals und Kniegelenken. »Ich glaub schon«, sagte sie. Immerhin, sie hatte sich nichts gebrochen. Stürze schienen langsam zu ihrer Spezialität zu werden. Zuerst Barcelona, dann Sant Joan, jetzt das hier.
    Miércoles faltete die Flügel zusammen und schnurrte: »Du kannst fast so gut fliegen wie ein Sphinx.«
    Sie grinste. »Danke für das Kompliment, aber in Zukunft verzichte ich gerne darauf.« Sie prüfte die Verriegelung des Balkonfensters. »Es ist offen«, sagte sie und schob die Flügel vorsichtig zur Seite. Sie wollte keinen Lärm machen. Immerhin hatte sie nicht die geringste Ahnung, wer sich wirklich im Inneren der Bibliothek befand. Sie hoffte natürlich darauf, dass es Firnis sein würde, aber man konnte nie wissen.
    Miércoles folgte ihr auf Samtpfoten.
    »Es riecht

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