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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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erblickten, wo immer sie sich auch aufhielten. Sie hörte das Echo aus Hunderten von Augenpaaren, die allesamt gezeichnet waren.
    Ja, das musste genau das sein, was auch Kassandra Karfax sah.
    So kontrollierte sie die Armada.
    Sie war überall gleichzeitig und jede Information endete bei ihr. Die Echos ihrer selbst waren die wachen Augen und neugierigen Ohren ihrer Herrschaft.
    Catalina stolperte durch diese Welt.
    Unbeholfen.
    Durcheinander.
    Mit jedem Blinzeln sprang sie in eine andere Sichtweise, besuchte sie für Augenblicke eine neue Welt. Die Bilderflut riss sie mit sich und sie konnte nichts dagegen tun.
    Sie musste an den Aquamarin denken, wusste nicht einmal, warum sie das gerade jetzt tat. Der Gedanke war, wie so viele Gedanken, einfach da.
    Dann sah sie eine Wüste und da war El Cuento.
    Sie trat einen großen Schritt nach vorne und das Bild wurde schärfer. Die Buchstaben, die unruhig wie Glühwürmchen um sie herumwirbelten, verdichteten sich zum Bild einer glühenden Wüstenwelt. Selbst die Hitze konnte das Mädchen jetzt in den Buchstaben spüren.
    Sie hob den Blick und sah Malfuria am Himmel stehen.
    Noch einen weiteren Schritt machte sie und dann einen dritten. Und als sie ankam, da fühlte sie die helle Sonne in ihrem Gesicht und sie wusste, dass sie den richtigen Weg gewählt hatte.

Silbermünzen
    Der heiße Sand war überall. Jordi atmete ihn ein und spuckte ihn dann wieder aus. Er rieb ihn sich aus den Augen und versuchte zu erkennen, wo Kopernikus war. Der alte Mann und er waren aus dem Pájaro geschleudert worden, als der Vogel sich in die Düne gebohrt hatte und im Sand stecken geblieben war. Genau wie der Falke. Das, was geschehen war, konnte nur ein böser Traum gewesen sein. Es durfte nur ein böser Traum gewesen sein. In den Geschichten war das immer ganz anders. Die Guten starben nicht einfach so.
    Jordi rappelte sich auf. Alle Knochen taten ihm weh, doch der weiche Sand hatte seinen Sturz aufgefangen. Der hintere Teil des Pájaro, der aussah wie die Schwanzfeder eines bunten Vogels, lugte aus der Düne und machte das ganze Ausmaß dessen, was gerade geschehen war, deutlich. Der Kolibri war zerstört, da gab es nicht den geringsten Zweifel. Die Schwingen waren in große Fetzen gerissen worden und lagen verstreut auf dem Wüstenboden. Es war nichts als ein Haufen Trümmer von dem Fluggerät übrig geblieben, nicht mehr als die Erinnerung daran, wie Fliegen gewesen war.
    Kopernikus stöhnte, irgendwo in der Nähe.
    Jordi stand langsam auf. Der Sand war heiß und die Sandgeister, die in gebührendem Abstand aus ihren kleinen Behausungen spähten, trauten sich nicht hervor, solange der Junge sich bewegte.
    Nicht weit von Jordi lag ein regungsloser Silberaugenmatrose im Sand. Ihn hatten die Sandgeister bereits angenagt, daran bestand kein Zweifel. Es mussten viele gewesen sein, dachte Jordi benommen. Sehr viele. Beunruhigt sah er sich erneut um, konnte aber außer den Augen in den Höhleneingängen nichts erkennen.
    Dann hörte er erneut das Stöhnen.
    Er strich sich die Haare aus den Augen und blinzelte in das gleißende Licht der Sonne, das ihn blendete.
    »Kopernikus?«
    Der alte Mann hob die Hand. Weiter oben auf der Düne, gleich neben dem Pájaro lag er im Sand, und als Jordi den Hügel hinaufkletterte, sah er, dass sein Bein in einem so schrägen Winkel vom Körper abstand, dass es nichts Gutes verhieß. Kopernikus’ Blick kündete davon, was er in all den Jahren und Jahrhunderten gesehen hatte.
    »Was hast du vorhin noch gesagt?«, keuchte Kopernikus und richtete sich mühsam auf. »Schicksal, Glück und manchmal Pech?« Er keuchte auf vor Schmerzen und hielt sich das Bein. »Sieht so aus, als wäre uns das Pech hold.«
    Jordi hob den Blick.
    Sah, was den Himmel verdunkelte.
    »Mist«, murmelte er nur.
    Malfuria war zurückgekehrt.
    Der Sturm aus Rabenfedern verfolgte nicht länger den Falken. Die Flammen, die hinter den Dünen hochschlugen, ließen keinen Zweifel daran aufkommen, warum dies so war.
    Er spürte den glatten Aquamarin in seiner Tasche, berührte ihn kurz, als hoffe er, so Trost gespendet zu bekommen.
    »Sie kommt!«, keuchte Kopernikus und blickte nach oben, wo die Galeone vor Anker gegangen war. Still schwebte sie über allem. Und Malfuria toste wie ein Traum aus Nacht und Federn vor der Sonnenscheibe.
    »Da!«
    Jetzt sah Jordi, was er meinte.
    Zwei Wirbel aus Rabenfedern flogen auf sie zu. Sie hatten sich aus dem großen Wirbelsturm abgesondert. Wie kleine Stürme

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