Die Königin der Weißen Rose
ziehst saubere Kleider an.»
Sein verängstigtes kleines Gesicht fährt zu mir hoch. «Nein! Ich kann nicht baden!», protestiert er.
Elizabeth sieht ihn angewidert an. «Dann weiß es doch sofort jeder», sagt sie.
«Wir sagen, er ist krank», erwidere ich. «Wir sagen, er hat eine Erkältung oder Halsweh. Wir wickeln ihn bis zum Kinn in ein Betttuch und binden ihm einen Schal um den Mund. Wir sagen ihm, er soll still sein. Es ist nur für ein paar Tage. Nur, um etwas Zeit zu gewinnen.»
Sie nickt. «Ich bade ihn», sagt sie.
«Jemma soll dir helfen», sage ich. «Wahrscheinlich wird einer der Männer ihn im Wasser festhalten müssen.»
Sie bringt ein Lächeln zustande, doch es reicht nicht bis zu den Augen. «Mutter, glaubst du wirklich, mein Onkel, der Herzog, könnte seinem eigenen Neffen etwas antun?»
«Ich weiß es nicht», antworte ich. «Und deswegen habe ich meinen geliebten königlichen Sohn weggeschickt, und mein Sohn Thomas Grey muss in die Dunkelheit hinaus. Ich weiß nicht mehr, was der Herzog tun könnte.»
Die junge Dienstmagd Jemma fragt, ob sie am Sonntagnachmittag Ausgang haben kann, um zuzusehen, wie die Shore-Hure Buße tut. «Um was?», frage ich.
Sie knickst mit gesenktem Kopf. Da sie jedoch unbedingt hinauswill, geht sie das Risiko ein, mich zu erzürnen. «Es tut mir leid, Madam, Euer Gnaden, aber sie muss, nur mit einem Unterkleid bekleidet, mit einer brennenden Wachskerze durch die Stadt gehen, und jeder wird sie sehen. Sie muss Buße tun für ihre Sünden, dafür, dass sie eine Hure ist. Ich dachte, wenn ich nächste Woche jeden Tag ein bisschen früher komme, würdet Ihr mich …»
«Elizabeth Shore?»
Ihr Kopf schießt hoch. «Die berüchtigte Hure», erklärt sie. «Der Lord Protector hat befohlen, dass sie für ihre fleischlichen Sünden öffentlich Buße tun muss.»
«Du kannst gehen und zusehen», sage ich abrupt. Ein Gaffer mehr in der Menge spielt keine Rolle. Ich denke an diese junge Frau, die Edward geliebt hat, die Hastings geliebt hat und die jetzt barfuß im Unterrock mit einer brennenden Wachskerze in der Hand, beschirmt von ihrem flackernden Licht, durch die Straßen geht, während die Leute sie beschimpfen und anspucken. Das würde Edward nicht gefallen, und um seinetwillen – nicht umihretwillen – würde ich es verhindern, wenn ich könnte. Doch ich kann nichts für sie tun. Richard, der Herzog, ist grausam geworden, und selbst eine schöne Frau muss dafür leiden, dass sie geliebt wurde.
«Sie wird nur für ihr gutes Aussehen bestraft.» Mein Bruder Lionel hat am Fenster auf das anerkennende Gemurmel der Menschenmenge gelauscht, als sie durch die Stadt geht. «Und weil Richard sie jetzt verdächtigt, deinen Sohn Thomas zu verstecken. Er hat ihr Haus durchsucht, aber er konnte Thomas nicht finden. Sie hat ihn gut versteckt, verborgen vor Gloucesters Männern, und dann hat sie ihn fortgebracht.»
«Gott segne sie dafür», sage ich.
Lionel lächelt. «Wie es scheint, ist diese Strafe sowieso misslungen. Niemand spricht schlecht über sie auf ihrem Bußgang», berichtet er. «Einer der Fährleute hat es zu mir hochgerufen, als ich am Fenster war. Er sagt, die Frauen rufen ‹Pfui›, aber die Männer bewundern sie einfach nur. Sie kriegen nicht jeden Tag eine so schöne Frau im Unterrock zu sehen. Sie sagen, sie sieht aus wie ein Engel, ein schöner, gefallener Engel.»
Ich lächle. «Gott segne sie auf jeden Fall, Engel oder Hure.»
Mein Bruder, der Bischof, lächelt ebenfalls. «Ich glaube, ihre Sünden waren Sünden der Liebe, nicht der Bosheit», sagt er. «Und in diesen schweren Zeiten ist es vielleicht das, was am meisten zählt.»
17. JUNI 1483
Sie schicken meinen Verwandten, Kardinal Thomas Bourchier, und ein halbes Dutzend anderer Lords aus dem Kronrat, um an meine Vernunft zu appellieren, und ich empfange sie als Königin. Geschmückt mit den königlichen Diamanten, die wir aus der Schatzkammer geraubt haben, sitze ich auf einem prächtigen Stuhl, der mir als Thron dient. Ich hoffe, ich sehe majestätisch und würdevoll aus, auch wenn mir in Wahrheit zum Morden zumute ist. Dies sind die Lords meines Kronrates. Sie haben die Positionen inne, die mein Gatte ihnen verliehen hat. Er hat sie zu dem gemacht, was sie heute sind, und jetzt wagen sie es, hierherzukommen und mir zu sagen, was Herzog Richard von mir erwartet. Elizabeth steht hinter mir, meine anderen vier Töchter in einer Reihe hinter ihr. Weder meine Söhne noch meine Brüder
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