Die Königin der Weißen Rose
nicht.»
«Dann vertraut mir, wenn ich Euch mein Ehrenwort gebe, dass Euer Junge bei mir sicher ist», sagt er. «Ich bringe ihn zu seinem Bruder, den beiden soll kein Haar gekrümmt werden. Ihr misstraut Herzog Richard, und er misstraut Euch – das bereitet mir Kummer, aber Ihr habt beide Eure Gründe –, ich schwöre, dass weder der Herzog noch sonst jemand Euren Söhnen etwas antun wird. Sie werden sicher sein, und Edward wird zum König gekrönt werden.»
Ich seufze, als wäre ich überwältigt von seiner Logik. «Und wenn ich mich weigere?»
Er kommt näher und spricht leise auf mich ein. «Ich fürchte, dass er das Asyl brechen und Euch und Eure Familie hier herausholen wird», flüstert er. «Die Lords sind der Meinung, er täte recht daran. Niemand setzt sich für Euer Recht ein, Euch hier aufzuhalten, Euer Gnaden. Doch dies ist ein Schneckenhaus, keine Burg. Gebt den kleinen Prinzen Richard heraus, und man wird Euch in Ruhe lassen, wenn Ihr dies wünscht. Behaltet Ihr ihn hier, so werdet Ihr alle herausgeholt, wie Blutegel aus einer Glaskugel. Oder sie zerschlagen gleich die Glaskugel.»
Elizabeth, die aus dem Fenster geschaut hat, beugt sich vor und flüstert: «Frau Mutter, auf dem Fluss kreuzenHunderte von Barkassen von Herzog Richard. Wir sind umzingelt.»
Einen Augenblick lang sehe ich weder das besorgte Gesicht des Kardinals noch die harte Miene von Thomas Howard, noch das halbe Dutzend Männer, die mit ihm gekommen sind. Ich sehe meinen Gatten mit gezücktem Schwert in Tewkesbury die Freistatt missachten, und ich weiß, dass von diesem Augenblick an kein Asyl mehr sicher ist. An diesem Tag hat Edward seinem Sohn jegliche Sicherheit geraubt – ohne es zu wissen. Aber ich weiß es jetzt. Und Gott sei Dank bin ich vorbereitet.
Ich hebe mein Taschentuch an die Augen. «Verzeiht die Schwächen einer Frau», sage ich, «aber ich ertrage es nicht, mich von ihm zu trennen. Könnt Ihr es mir nicht ersparen?»
Der Kardinal tätschelt meine Hand. «Er muss mit uns kommen. Es tut mir leid.»
Ich drehe mich zu Elizabeth um und flüstere: «Hol ihn, hol meinen kleinen Jungen.»
Elizabeth geht schweigend mit gesenktem Kopf davon.
«Er war sehr krank», sage ich zu dem Kardinal. «Ihr müsst dafür sorgen, dass er warm eingewickelt bleibt.»
«Vertraut mir», sagt er. «In meiner Obhut wird ihm nichts passieren.»
Elizabeth kommt mit dem kleinen Pagen zurück. Er trägt Richards Kleider, und wir haben ihm einen Schal um den Hals gewickelt, der die untere Hälfte seines Gesichts verbirgt. Als ich ihn an mich drücke, riecht er sogar nach meinem Jungen. Ich drücke ihm einen Kuss auf seinen blonden Schopf. Sein kleiner Jungenkörper ist zart in meinen Armen, und doch hält er sich tapfer, wie es einem kleinen Prinzen gebührt. Elizabeth hat ihn gut angelernt. «Geh mit Gott, mein Sohn», sage ich zu ihm. «Wir sehenuns bei der Krönung deines Bruders in einigen Tagen wieder.»
«Ja, Frau Mutter», sagt er wie ein kleiner Papagei. Seine Stimme ist kaum mehr als ein Piepsen, doch für alle hörbar.
Ich nehme ihn an der Hand und führe ihn zum Kardinal. Er hat Richard auf einige Entfernung am Hof gesehen, und dieser Junge ist unter der juwelenbesetzten Mütze und dem Schal um die Kinnpartie versteckt. «Hier ist mein Sohn», sage ich, und meine Stimme zittert vor Gefühl. «Ich vertraue ihn Euch an. Ich übergebe ihn und seinen Bruder hiermit Eurer sicheren Obhut.» Ich wende mich dem Jungen zu und sage: «Lebe wohl, mein lieber Junge, möge der Allmächtige dich beschützen.»
Er wendet mir sein kleines Gesicht zu, ganz in den Schal eingewickelt, und einen Augenblick lang werde ich von echten Gefühlen überkommen und drücke ihm einen Kuss auf die warme Wange. Ich bringe dieses Kind statt meines eigenen in Gefahr, doch es ist und bleibt ein Kind. In meinen Augen stehen Tränen, als ich seine kleine Hand in die große, weiche Hand von Kardinal Bourchier gebe und über den kleinen Kopf hinweg zu diesem sage: «Beschützt diesen Jungen, meinen Jungen, ich bitte Euch, Mylord. Sorgt dafür, dass ihm nichts passiert.»
Wir warten, während sie den Raum verlassen. Als sie weg sind, hängt noch der Geruch ihrer Kleider in der Luft. Es ist der Geruch von draußen: Pferdeschweiß, gekochtes Fleisch, eine frische Brise, die über frischgemähtes Gras weht.
Elizabeth wendet sich mir mit blassem Gesicht zu. «Du hast ihnen den Pagen mitgegeben, weil du glaubst, dass es für unseren Jungen nicht sicher ist, in
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