Die Königin der Weißen Rose
sind zugegen. Sie verlieren kein Wort darüber, dass mein Sohn Thomas Grey aus dem Asyl geflohen ist und in London frei herumläuft, und ich weise sie nicht darauf hin, dass er nicht hier ist.
Sie sagen mir, dass sie Herzog Richard zum Lord Protector, Regenten und Erzieher des Prinzen ernannt haben, und sie versichern mir, dass sie sich auf die Krönung meines Sohnes, Prinz Edward, vorbereiten. Mein jüngerer Sohn Richard soll sich zu seinem Bruder in die königlichen Gemächer im Tower begeben.
«Der Herzog wird nur wenige Tage Regent sein, nur bis zur Krönung», erklärt Thomas Bourchier mir und macht dabei ein so ernstes Gesicht, dass ich ihm vertrauen muss. Dieser Mann hat sein ganzes Leben lang versucht, unserem Land Frieden zu bringen. Er hat Edward zum König gekrönt und mich zur Königin, weil er daran glaubte, dass wir diesem Land Frieden bringen würden. Ich weiß, dass er aus tiefster Überzeugung spricht. «Sobald der junge König gekrönt ist, fällt alle Macht an ihn zurück, und Ihr seid Königinwitwe und Königinmutter», sagt er. «Kommt in Euren Palast zurück, Euer Gnaden, und nehmt an der Krönung Eures Sohnes teil. Das Volk wundert sich, dass es Euch nicht zu Gesicht bekommt, und auf die fremden Gesandten macht es einen seltsamen Eindruck. Lasst uns alle tun, was wir dem König auf dem Sterbebett versprochen haben – Euren Sohn auf den Thron setzen, zusammenarbeiten und alle Feindseligkeiten vergessen. Lasst die königliche Familie in den königlichen Gemächern im Tower wohnen und lasst sie in all ihrer Macht und Schönheit zur Krönung ihres Sohnes erscheinen.»
Einen Augenblick lang bin ich überzeugt. Mehr noch, ich bin in Versuchung. Vielleicht kann doch noch alles gut enden. Dann denke ich daran, dass mein Bruder Anthony und mein Sohn Richard Grey in Pontefract Castle gefangen gehalten werden, und ich zögere. Ich muss innehalten und nachdenken. Ich muss dafür sorgen, dass sie sicher sind. Solange ich im Asyl bin, gleicht meine Sicherheit und die meines Sohnes Richard ihre Gefangenschaft aus, wie sich die Gewichte auf einer Waage ausgleichen. Sie sind Geiseln für mein gutes Betragen, aber Herzog Richard wagt es auch nicht, Hand an sie zu legen, weil er Angst hat, mich zu erzürnen. Wenn Richard alle Rivers loswerden will, muss er uns alle in seiner Macht haben. Indemich außerhalb seiner Reichweite bleibe, schütze ich diejenigen von uns, die er in seiner Gewalt hat, sowie die, die frei sind. Ich muss meinen Bruder Anthony gegen seine Feinde schützen. Ich muss. Dies ist mein Kreuzzug – ähnlich dem, den ich ihn nicht habe führen lassen. Ich muss ihn beschützen, damit er die Welt weiterhin mit seinem klaren Verstand erleuchten kann.
«Ich kann Euch Prinz Richard nicht übergeben», sage ich mit vorgetäuschtem Bedauern. «Er war in letzter Zeit so krank, dass ich ihn nicht der Pflege anderer anvertrauen möchte. Er ist noch nicht wieder gesund, er hat die Stimme verloren, und wenn er einen Rückfall erleidet, könnte seine Erkrankung noch ernster werden. Wenn Ihr ihn und seinen Bruder zusammen an einem Ort wissen wollt, dann schickt Edward hierher zu uns, wo ich mich um beide kümmern und sicher sein kann, dass sie nicht in Gefahr sind. Ich sehne mich danach, den älteren meiner beiden Söhne wiederzusehen und zu wissen, dass er sicher ist. Ich ersuche Euch, schickt ihn zu mir, in die Sicherheit. Er kann von hier aus genauso gut gekrönt werden wie vom Tower aus.»
«Nun, Madam», fährt der rüde Thomas Howard zornig auf. «Nennt einen Grund, warum sie in Gefahr sein sollten?»
Ich sehe ihn an. Glaubt er wirklich, er könnte mich überlisten, ihnen meine Feindschaft zu Herzog Richard zu gestehen? «Der Rest meiner Familie ist entweder auf der Flucht oder in Haft», sage ich ruhig. «Warum sollte ich davon ausgehen, dass meine Söhne und ich sicher sind?»
«Aber, aber», unterbricht mich der Kardinal und nickt Howard zu, um ihn zum Schweigen zu bringen. «Wer im Gefängnis sitzt, wird einen standesgemäßen Prozess bekommen,wie es sich gehört, und dort wird bewiesen oder widerlegt, ob an der Anschuldigung etwas Wahres ist. Die Lords haben verfügt, dass Euer Bruder Anthony, Earl Rivers, nicht des Hochverrats angeklagt werden kann. Das sollte Euch von unseren ehrenwerten Absichten überzeugen. Ihr werdet uns doch nicht etwa unterstellen, dass wir Euch mit anderen als den ehrenwertesten Absichten aufsuchen?»
«Ach, Mylord Kardinal», sage ich. «Ich misstraue Euch
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